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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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traurigen Augen und schulterlangem Haar. »Die haben die reinste ABC -Sonderschutzbekleidung getragen, halt in
weihnachtlicher Aufmachung. Da war kein einziger Quadratzentimeter Haut frei
bei denen.«
    »Rauchen taten sie ohnehin nicht, und gesprochen wurde nur das
Nötigste«, sagte Ottakring.
    »Und die paar Fussel und Haare, die wir gefunden haben, brauchen wir
nicht«, sagte Bruni. »Wir haben nämlich ihre ganze Maskerade – die Anzüge, die
Perücken und Bärte, die Masken, Handschuhe und Stiefel, zu hundert Prozent
sicherstellen können. Auch die elektronischen Sprachverzerrer haben wir in
einem Schuppen hinterm Geschäft gefunden, der ironischerweise der Evangelischen
Kirche gehört. Dort haben sie sich umgezogen. In dem Häusl haben sie die
Klamotten einfach liegen lassen.«
    Rico Stahl nickte seinem Spusi-Chef zufrieden zu. »Klar«, sagte er.
»An der Innenseite der ganzen Maskerade werden sich die Kerle ja vollkommen
abgebildet haben. Da brauchen wir äußere Spuren gar nicht mehr. Das dürfte dann
reichen.«
    »Ja, aber das Labor braucht ein, zwei Tage dafür, das wissen Sie
ja«, wandte der Spusi-Chef vorsichtig ein.
    Rico Stahl winkte ab, packte Ottakring am Ellenbogen und zog ihn ins
Geschäft. »Kommen Sie.«
    Joschi, der Schäfermischling, kam hinter einem vollbehangenen
Kleiderständer hervorgekrochen und schmiegte sich an Ottakrings Bein.
    Rico beachtete ihn nicht. »Wo haben Sie gestanden?«, fragte er
Ottakring.
    Der zeigte es ihm. »Hier hat man mir auch die Handschellen
angelegt«, erklärte er.
    Rico grinste breit und zupfte seine Krawatte zurecht. »Entzückende
Vorstellung. Der große Ottakring in Fesseln. In Abführmitteln aus Eisen.«
    Sie warfen noch einen Blick in den Werkstattraum. Er wirkte ruhig
und friedlich, als hätte er keinerlei Vorstellung davon, was sich vor kurzer
Zeit hier drinnen abgespielt hatte, und als hätte er noch nie einen
Sprengstoffgürtel beherbergt.
    »Die vier Frauen …«, begann Ottakring.
    »Ihre vier Kolleginnen hier drin? Selbstverständlich. Wurden schon
befragt. Ebenso wie die Menschen in der Schlange, die sich anfangs vor dem
Laden gebildet hatte. Da sind wir noch dabei.«
    »Wo die Maskerade herkommt …«
    »Ja freilich, Herr Ottakring. Wir haben uns bei allen in Frage
kommenden Geschäften erkundigt, bis über München hinaus, überprüfen das
Internet, Flohmärkte … eben alles.«
    »Das ist wie eine Schatzsuche auf dem Grund des Inns. Diese Typen
waren Profis.«
    Sie hatten das Geschäft verlassen und waren nach draußen gegangen.
    Rico Stahl blieb stehen und sah Ottakring aus stählernen Augen an.
    »Glauben Sie wirklich?«, sagte er. Er schob das Kinn nach vorn, was
ihm den Ausdruck eines unbarmherzigen Scharfrichters verlieh. »Da bin ich
anderer Ansicht. Ich glaube, die haben das als Spiel gesehen. Die wollten
einmal Räuber und Gendarm spielen. Auf die Höhe der Beute kam’s denen gar nicht
in erster Linie an. Denen war hauptsächlich der Nervenkitzel wichtig. Wir
werden jedenfalls unsere Ermittlungen aufs engere Umfeld konzentrieren und
denen anständig einheizen.«
    Ottakring hatte plötzlich das Gefühl, als würde ihm der Brustkorb
platzen, so pochte sein Herz. Hinter seiner unbeweglichen Miene verbarg sich
Wut auf sich selbst und Traurigkeit. Was Rico Stahl da sagte, war genau sein
eigenes Gefühl gewesen. Warum hatte er es nicht selbst ausgesprochen? Jetzt
stand er wie der Depp da und musste sich von dem jungen Schnösel einschenken
lassen.
    Er seufzte unhörbar.
    Von drüben dröhnte wieder die Spottmusik herüber.
    Ich sag »An Hunger und an Durst und keinen
Plärrer!
    Ich bin der böse Kassenentleerer!«
    Der Kassierer sagt »Nein! Was fällt Ihnen ein?«
    »Na gut«, sag ich, »dann zahl ich halt was ein!«
    Ba-, Ba-, Banküberfall …
    Man sollte solch schadenfreudigen Nachbarn doch die Polizei auf den
Hals hetzen.
    In weiten Sätzen retteten sich die Herren über die viel befahrene
Hauptstraße und kamen schwer atmend an den Flusslauf. Die Luft war kalt und
frisch. Kleine Eisschollen schwammen den Bach hinab. Ottakring konnte das
Wasser riechen und hörte sein leises Wispern. Dort, wo der Fluss das niedrige
Wehr hinabstürzte, ging das Geräusch in ein gewaltiges Rauschen über, ähnlich
dem Geräusch, das Lola in der Früh beim Zähneputzen machte, nur lauter.
    So wenig er mit diesem Rico Stahl anfangen konnte, eines musste er
noch loswerden, das gebot die Kollegialität.
    »Hat der Gachinger eigentlich erzählt, dass der

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