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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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in ein
stinknormales Dorfwirtshaus in ihrer alpenländischen Umgebung gegangen und
hatten sich königlich über den Eindruck amüsiert, den sie machten, und das
Getuschel. Doch nach einiger Zeit war der Überraschungseffekt vorbei, und sie
wurden nur mehr belächelt. Da ließen sie es bleiben.
    Im Grunde lebten die beiden ein erfülltes bürgerliches Leben und
ließen sich dabei ihre kleinen persönlichen Freiheiten.
    Bis der Sommerurlaub kam, den sie auf Malta verbrachten. Ottakring
war die Insel wurscht, denn sie besaß keine sehenswerten Kirchen, doch Lola war
noch nie dort gewesen und wollte Malta unbedingt erleben. Also erfüllte er ihr
den Wunsch mit der Idee, sich gemeinsame Erinnerungen an Malta zu schaffen.
    Dass es schiefging, lag nicht allein am Essen auf der britisch
geprägten Insel, deren Häuser mit Wäscheleinen zusammengebunden waren, damit
sie nicht einstürzten, und auf der es nur zwei Arten von Saucen und eine Sorte
Kaffee gab, und die war lausig.
    Sie bewohnten kein Hotel mit einem Namen wie Quisisana, Superiore
oder Splendid. Sie wollten nicht auftrumpfen. Es war eines jener
Durchschnittshäuser mit einem kleinen Mülleimer am Frühstückstisch und
silbernen Warmhaltegefäßen auf lauwarmen Herdplatten. In einem Topf
schmurgelten gelbe Flocken (»Rührei« stand auf dem Schildchen davor), im
anderen lagen ein paar gekräuselte Speckschwarten herum, im dritten kokelten
die Würstchen vor sich hin. Ein Orangensaftspender mit verklebtem Zapfhahn und
Überlaufrost und ballastreiches Knäckebrot in recycelbarer Klarsichtfolie
heizten das Feriengefühl auf der Sonneninsel weiter an. Fröhlichkeit hätte ein
geflochtener Korb in Form eines Huhns verbreiten können, wären die frisch
gekochten weichen Eier nicht eiskalt und hart wie Stein gewesen. Im Nebenraum
unweit des ihnen zugewiesenen Tisches, in dem gewöhnlich das Personal saß und
rauchte, plärrte ein Radio.
    Als sie sich ans Fenster setzen wollten, schoss eine Dame mit
fleckiger Schürze heran: »Bitte hier nicht hinsetzen, da wird für das
Mittagessen gedeckt!«
    Lola wollte schon flüchten, doch Ottakring, in stoischer
Gelassenheit, führte sie zurück an ihren Luxustisch und besorgte ein paar
Käsescheiben, die ihren Rand hilfesuchend nach oben bogen, sowie hellrosa
Wurstscheiben mit einer Garnitur tropfnasser Gürkchen obendrauf. Auf Kompott
verzichtete er, denn der Schöpflöffel war unwiderruflich auf den Grund des
Bassins gesunken. Auch der Früchtequark blieb ihm erspart, denn der tatterige
Herr vor ihm hatte versehentlich seine Knäckekrümel darübergestreut.
Stattdessen rettete er aus dem durchwühlten Brotkorb noch ein Päckchen
eingeschweißte Pumpernickelscheiben und brachte sie freudig an den Tisch.
    »Klar, wir brauchen schließlich noch etwas zum Füllen unseres Tischmülleimers«,
sprach Lola strahlenden Auges.
    Schließlich wickelten sie heimlich ein paar halbe Camemberts und den
Pumpernickel in ihre gebrauchten Servietten und schmuggelten die Ware zu einer
abseits stehenden Bank im herrlichen, sonnendurchfluteten Park mit altem
Baumbestand. Jetzt erst fühlten sie sich richtig wohl und konnten ihr Frühstück
genießen. Das Knacken, das sie ringsherum vernahmen, stammte nicht vom Specht,
sondern von anderen Hotelgästen, die es ihnen nachtaten und unerschrocken ihr
Camembert-Knäckebrot zerbissen.
    Er machte einen langen Strandspaziergang, sie legte sich in einen
Liegestuhl. Sie hatten schließlich Urlaub.
    »Was machst du, Liebes?«, fragte er sie, als er zurückkam.
    Sie fuhr hoch, als wäre sie von einem Geist aufgeschreckt worden
statt von ihrem Mann, und steckte ihr Handy weg. »A… ach nichts«,
stammelte sie. »Ich les nur in unseren früheren SMS nach.«
    Aus tausend Verhören von Verbrechern hatte der Kriminalrat gelernt
zu erkennen, wenn jemand log. Um wie viel leichter musste ihm das bei Laien
fallen.
    Der Text der SMS , die sie geschrieben
hatte, war eindeutig.
    Am nächsten Tag, als sie sich mit dem Mietwagen zu einem
Shoppingbummel nach Valetta begab, folgte er ihr in einem rammelvollen Bus in
halsbrecherischer Fahrt.
    Dem Mann, mit dem sie wie frisch verliebt im Restaurant saß, war er in
Deutschland schon begegnet, da war er sich sicher, er vermutete in München.
Doch er kannte ihn nicht.
    »Ach nein, ich hab nichts gekauft«, gestand sie ihm bei ihrer
Rückkehr am frühen Abend. »Weil die Geschäfte in Valetta entweder zu abartig
oder zu teuer sind.«
    »Verdammte Hexe«, murmelte er leise vor sich

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