Sakramentisch (German Edition)
die Ferkel ihre Mutter vor der
großen Säugung anglotzen, stierten fünf Augenpaare auf Rico Stahl.
Der blies die Backen auf und holte tief Luft. Dann ballte er beide
Hände zur Faust und knirschte mit den Zähnen.
»Die haben uns ganz schön geleimt. Die hatten zwei Garnituren
Ausrüstung. Die, die sie anhatten, haben sie mitgenommen, und uns haben sie die
zum Fraß hingeworfen, die sie nicht benutzt haben.«
Als Hadi aus tiefem Schlaf erwachte, war sein erster Gang zur
Toilette, sein zweiter zum Kühlschrank. Teresa, seine Haushaltshilfe, hatte ihm
eine Delikatesse hinterlassen.
Teresa stammte aus Andalusien und hatte sich in einer
abenteuerlichen Irrfahrt über Verwandtschaft, Männer und Beruf nach Oberbayern
verirrt. Ab und zu, wenn ihre Gemütslage es zuließ, kochte sie Hadi etwas oder
brachte ihm eine Kleinigkeit mit. Heute stand Gazpacho vor seinen Augen, eine
kalte Gemüsesuppe, die eigentlich für den heißen Sommer Andalusiens gedacht
war. Teresa hatte eine Schüssel davon in den Kühlschrank gestellt und die Einlagen
dafür in kleinen Schälchen auf dem Küchentisch platziert: geröstete Brotwürfel,
gehacktes Ei, Zwiebeln, Tomaten, Gurke und in feine Streifen geschnittene rote
und grüne Paprikaschoten. Hadi lief das Wasser im Mund zusammen. Am liebsten
hätte er gleich zugeschlagen, doch sein Auge fiel auf das Oberbayerische
Volksblatt.
Es war voller Empörung über den unverfrorenen und rätselhaften Raub,
der »am helllichten Tag vor unserer Haustür« stattgefunden hatte. Wo war
eigentlich die Polizei gewesen? Wieso gab es noch keine Spur von den drei
Weihnachtsmännern? Die gestrige Pressekonferenz hatte sich in vagen Andeutungen
erschöpft. Kein Verdacht, nicht die Spur davon, schon gleich keine Festnahmen.
War das der Beginn einer Kriminalitätswelle, die die ehrbaren Geschäfte in ganz
Oberbayern überschwemmen würde? Hieß das, dass keine Tank-, keine
Lottoannahmestelle und keine Reinigung mehr sicher war? Hatte sich das
Verbrechen statt wie früher den Banken nun den Kleingewerbetreibenden gewidmet,
weil die Geldhäuser elektronisch zu gut geschützt waren?
Hadi verzog sein Gesicht zu einem breiten Grinsen.
Sein Grinsen erstarb, als er weiterblätterte und zwischen der
drittletzten und vorletzten Seite der Zeitung einen handschriftlichen Zettel
fand. Er stammte von Teresa und war kaum zu entziffern.
»Was habe Sie mit inhorgenta zu tun, señor ?
Wolle Sie Schmuck kaufen? Oder habe Sie Schmuck zu verkaufe? In beide Fälle
wenden Sie bitte fertrauenfoll an mich. Teresa.«
Hadi stürmte ins Arbeitszimmer. Nein, der Prospekt von der Schmuckmesse
lag unberührt im Unschlag auf seinem Schreibtisch. Doch woher sonst wusste
Teresa, dass er sich mit der Messe beschäftigte?
Diese meerwasserumspülten und sonnenverwöhnten Frauen von dort unten
hatten doch wirklich den Teufel im Leib!
ACHT
Jeder will schließlich das lesen, was er gern mag. Leute,
die zum Beispiel ungern Geschichten lesen, in denen das Wetter schlecht oder
kalt oder das Essen ungenießbar ist und den Figuren immer wieder schreckliche
Dinge passieren, solche Leute sollten dieses Buch unverzüglich weglegen.
Speziell an dieser Stelle fühle ich mich verpflichtet, den Fortgang
der Geschichte zu unterbrechen, um Sie ein wirklich letztes Mal zu warnen. Es
könnte vielleicht der Eindruck entstehen, dass es allen gut geht. Hadi genießt
seine gute Suppe, das Everl ist am Genesen, Lola und Ottakring werden schon
wieder zueinanderfinden, und Rico Stahl hat endlich den Schlüssel zur Lösung
gefunden.
Aber so ist es nicht.
Es wird alles noch viel schlimmer.
Also – Sie wissen Bescheid! Es ist Ihr ganz persönliches Risiko,
wenn Sie weiterlesen. Ich überlasse Sie Ihrem Schicksal.
Es begann damit, dass es dem Artur langweilig geworden war, als
er während der Arztvisite aus Everls Zimmer geschickt wurde. Er hatte sich
schon lange nicht mehr untersuchen lassen und da dachte er, wenn ich schon
einmal hier in der Landklinik bin, kann ich das ja flugs nachholen.
Das Ende vom Lied war, dass er, als er am nächsten Tag aufstand,
zwei Anrufe bekam. Einen von Hadi und einen von der Landklinik.
Kaum hatte er nach Hadis überraschendem Anruf tief Luft geholt und
schwebte vor Freude an der Decke, schmetterte ihn das zweite Telefonat in die
tiefsten Tiefen. Es hätte ja durchaus sein können, dass bei Arturs
Routineuntersuchung alles gut ging – Blutwerte, Gamma GT , Herzecho, EKG , alles
in Ordnung. Leber, Lungen, Nieren, Prostata
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