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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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genügend vorhanden, und Artur wäre seinen gesamten
Verpflichtungen am liebsten sofort nach ihrem Beutezug nachgekommen. Er hätte
gleich am nächsten Tag die Rechnung für den Leichenschmaus beim Wirt bezahlt,
die Begräbniskosten für Bernadette entrichtet und dem Herrn Pfarrer das
Trinkgeld in die Hand gedrückt. Doch Werner knöpfte ihn sich vor und rückte nur
den Vorschuss für Everls Klinikkosten heraus.
    »Mehr geht nicht.«
    Als Artur zu knurren anfing, genügte ein scharfer Ton in der
Telefonleitung, um ihn wieder zurückzupfeifen.
    Hadi allerdings machte Werners Hinweis sehr zu schaffen. Mehr als er
nach außen erkennen ließ. Weit mehr sogar, als er sich selbst zugestehen
wollte. Nicht, dass er sich wegen seines Hundegrußes einer Schuld bewusst
gewesen wäre. Werner behauptete ja sogar, diese Nachlässigkeit könne zu ihrer
aller Ergreifung führen. Doch das schüttelte Hadi ab wie trockenes Stroh. Daran
war im Traum nicht zu denken.
    Ein Verlangen jedoch war geweckt, das nicht vom Herzen, sondern vom
Kopf herkam: sein Ehrgeiz. Er hatte lange gebraucht – ausgedehnte Nächte, viele
Weißbiere, voll geschriebene Seiten im Computer –, bis er sich doch eingestand,
eine Fehlleistung begangen zu haben. Wie konnte er den blöden Hund beim Namen
nennen! Selbst wenn dieser Missgriff keinen Schaden anrichten würde,
nachträglich konnte er ihn nicht mehr ausmerzen. Er wurde nachdenklich.
    Am Dreikönigstag in aller Frühe stand Hadi auf, zog sich an, schlüpfte
in seinen dicken braunen Lodenmantel, setzte den Jagerhuat auf, den ihm sein
persischer Freund in Tirol geschenkt hatte, öffnete die Haustür und trat in die
sternklare Winternacht hinaus. Es tat gut, die frische Bergluft zu atmen. Er
machte die Runde rund um den Bauernhof unten im Tal, den Bach entlang, über die
kleine Steinbrücke Richtung Autobahn, den Kopf gegen den Wind gesenkt über fast
unbegehbare Schneeflächen, die in der warmen Jahreszeit fette Wiesen und Weiden
waren, dann wieder zurück, das war seine Route. Im pulvrigen Neuschnee
hinterließ er klobige Abdrücke, die schnell wieder verweht wurden. Die
Taschenlampe hatte er mit. Wenn er Glück hatte, so wie kürzlich, würde er
wieder auf ein Rudel Rehe treffen, die sich an den Menschen gewöhnt hatten.
    Es war eine saukalte Nacht, und Hadi war froh, dass er in letzter
Sekunde dicke Handschuhe eingesteckt hatte. Lange Unterhosen dagegen lehnte er
als unnatürlich ab. Die leichte Bewölkung breitete das Licht des Mondes wie
einen Schleier über die tief verschneite Landschaft. Alle fünfhundert Meter
waren, wie vom Zufallsgenerator bestimmt, Werberuhebänke an den Weg gestreut.
Neben jeder Bank stand ein Papierkorb mit einem Täfelchen, auf dem ein
durchgestrichenes gelbes Strichmännchen ein durchgestrichenes schwarzes Etwas
in einen durchgestrichenen roten Korb warf. In der schneefreien Jahreszeit
lagen Eis- und Milchtüten und Pizzaverpackungen neben dem praktischen
Werbepapierkorb. Das brachte Hadi zum Lachen.
    Er hatte Wichtigeres, Entscheidenderes zu überlegen. Intensiven
Gedanken hing er nach, während er durch den hellen Schnee stapfte. Seine
Gedanken sprach er ungeordnet in ein Diktiergerät.
    Am Wegweiser »Thann ½ Stunde, Grießenbach 2 km« erlag
endlich das Übergewicht seines Ehrgeizes den ständigen Zweifeln im Hinterkopf.
Es war stärker als seine Hemmungen, seine bürgerliche Moral, seine Risikoscheu.
    Er kam zu einem Entschluss.
    Einmal noch, beinhaltete seine Entscheidung. Einmal noch ein
Überfall, diesmal ohne Fehler.
    Der erste Teil seines frühmorgendlich einsamen Wegs hatte sich um
das Ob gedreht. Den Rest des Wegs beschäftigte er sich nur mehr mit einem
einzigen Thema.
    Dem Wie und dem Wann.
    Die Dorfstraße lag still vor ihm. Ein Frühaufsteher in einem alten BMW eierte mit vierzig, fünfzig auf der ungeräumten
Straße an ihm vorbei. Die Häuser waren dunkel. Das Gartentor stand noch offen,
so wie er es verlassen hatte. Die Uhr der evangelischen Kirche schlug vier.

SIEBEN
    Sie kamen nicht weiter. Die Soko »Dirndlüberfall« kam sich
vor wie der Hund, der sich anhaltend im Kreis dreht und in den Schwanz beißt.
Alles und jeden hatten sie abgesucht und sich vorgeknöpft und angefragt und
vernommen und nachgehakt und noch mal das Ganze, und sie kamen immer wieder
dort an, wo sie angefangen hatten. Im Nirwana. Die Weihnachtsmannanzüge, Bärte,
Stiefel, Handschuhe und die Vollgummimasken waren unverrichteter Dinge in der
Asservatenkammer gelandet.
    Experten,

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