Sakramentisch (German Edition)
Stirn nach hinten gekämmte
Haare. Er trug einen abgeschabten hellen Trenchcoat, der vorn offen war und
darunter einen dunkelblauen Pullover erkennen ließ. Vor ihm auf dem Tresen lag
eine Einkaufstüte aus Plastik mit der Aufschrift »Schuh-Reindl«.
»Die hab ich im Riederpark neben einer Bank gefunden«, schilderte
der Mann. »Ich wollte mich gerade hinsetzen, da fiel mir die Tüte auf.
Wahrscheinlich hat sie jemand versehentlich da liegen lassen.«
In der Tüte war ein Schuhkarton.
»Ein Paar Schuhe«, notierte der Wiggerl. Und »Simon Marker«, den
Namen des Finders.
Als er allerdings später, nachdem der Fremde schon gegangen war, die
Schuhe aus dem Karton nehmen wollte, um sie ins Regal zu stellen, fiel ihm
sofort auf, dass keine Schuhe darin waren, sondern eine weitere Plastiktüte von
Schuh-Reindl. Als er mit gerümpfter Nase hineinschaute, sprangen ihm Bündel von
Geldscheinen ins Auge.
Wiggerl Mayer zog die Stirn in Falten, überlegte für zwei Minuten,
ob er den Inhalt nicht etwas verringern sollte, verzichtete dann aber darauf
und verständigte seinen Vorgesetzten. Der meldete sich beim Behördenleiter,
gemeinsam warfen sie einen letzten Blick auf das viele Geld und meldeten den
Fund der Polizei.
»Es fehlt nichts«, sagte Rico kopfschüttelnd zu Chili. »Sie
haben mehr zurückgegeben, als sie geraubt haben.
Zweihundertzweiundsiebzigtausend aus dem Schmuckhändlerüberfall und geschätzte
fünfunddreißigtausend vom Dirndlüberfall. Es waren aber dreihundertzehntausend
Euro in dem Reindl-Sack. Also zu viel.«
»Nobel, nobel«, meinte Chili mit gespitzten Lippen.
Mittwochs, so wie heute, trug sie meist ein bunt schillerndes
Seidendirndl mit kurzem Rock und klaffendem Oberteil. Rico hatte Mühe,
wegzuschauen, wenn sie sich nach vorn beugte oder sich gar wegen eines
entkommenen Haarkamms bückte.
»Und? Was lernen wir daraus?«
»Die reinsten Samariter!«
Rico nickte. »Wär eine klasse Schlagzeile für die Presse!«
Etwa zur gleichen Zeit, so gegen siebzehn Uhr, schellte es in
der Ganghoferstraße Nummer 11a unten rechts. »Weißherbst & Paradisi«
stand auf dem Klingelschild. Paradisi machte gerade »Infentur«. Ihr
Lebenspartner, der Weißherbst Edi, ein Kerl mit einem Brustkorb wie ein Fass,
half ihr dabei. Er war es, der den Titel mit »f« anstatt mit »v« geliefert
hatte. Das passte aber wie die Faust aufs Auge, denn sie hatten beide keine
rechte Lust, Infentur zu machen.
Der Edi öffnete die Tür, denn es war seine Wohnung. Paradisi war
erst nach dem großen Brand bei ihm für eine Weile untergekrochen.
Erst einmal erschrak er.
Er sah sich einem Wesen gegenüber, wie er es nur aus Kriminalfilmen
der Siebziger und Achtziger kannte, als sich der Stoff noch um Überfälle auf
Banken und Postzüge drehte. Total vermummt, der Typ, mit platt gedrückter Nase
und Augenschlitzen im Strumpf. Vom einen Augenschlitz lief eine Laufmasche weg.
»Para, für dich«, rief er nach hinten.
Angst hatte er nicht, der Edi, denn der Typ vor ihm hielt weder eine
Fünfundvierziger in der Faust noch eine Gattling Gun im Anschlag. Vielmehr
umklammerte er mit den Händen so etwas wie eine Schatztruhe, jedenfalls der
Sorgfalt nach zu schließen, mit der er die Metallbox zwischen den flachen
Handflächen festhielt. Edi ahnte, was es sein könnte, denn Paradisi hatte ihm
von dem Überfall auf den Salon Kitty berichtetet, der gar kein richtiger
Überfall gewesen war.
Seine Partnerin erschien aus dem Hintergrund und strich ihr Haar
glatt. Sie kam direkt aus der Dusche und hatte einen gelben Frotteebademantel
übergestreift. Alles an ihr dampfte. Für eine Sekunde schien sie überrascht,
bis ein amüsiertes Lächeln über ihr Gesicht huschte.
»Wir kennen uns, gell?«, rief sie aus.
Der Maskierte nickte. »Hier, Ihre Fotos«, war zu hören. Die Stimme
klang, als käme sie aus einem kaputten Verstärker.
»Ach, ist das süß«, sagte Paradisi. Beherzt schob sie Edi zur Seite,
ging auf den Fremden zu und streckte die Arme nach dem Kästchen aus.
»Weißt du, ich hab mir gar keine Sorgen gemacht, dass du uns
verpfeifen würdest. Oder erpressen oder so was.«
Paradisi war stehen geblieben und stützte die Arme in die Hüfte.
»Willst du nicht den blöden Strumpf wegmachen? Ich hab dir vertraut, und du
kannst auch mir vertrauen, dass ich dich nicht verpfeif.«
Als sie sein Zögern bemerkte, hakte sie nach. »Ist doch ganz
einfach. Du gibst mir mein Eigentum zurück, damit ist die Sache erledigt. Nicht
wahr,
Weitere Kostenlose Bücher