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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Opapa immer wieder gesagt.«

ZWEIUNDZWANZIG
    An diesem Mittwoch hatte sich der Kriminalrat a. D. Joe
Ottakring die drei wichtigsten Zeitungen von Oberbayern besorgt. Er hatte sich
auf seinen Platz im Sessel am Fenster zurückgezogen, mit Blick aufs Gartentürl.
Wenn Lola je zurückkommen würde, käme sie hundertprozentig durch diese Tür.
Seit über einer Woche hatte er nichts von ihr gehört. Aber immer auf sie
gelauert.
    Er sortierte die Zeitungen. Das Oberbayerische Volksblatt, die
Süddeutsche Zeitung, das Abendblatt – in allen war das Foto der kleinen Eva zu
sehen, der Enkelin des verstorbenen Polizeimitarbeiters Artur Josef Huber, der
im Verdacht stand, die Überfallserie der vergangenen Monate inszeniert zu
haben. Das Everl mit einer Puppe im Arm, das Everl mit ihrer Betreuerin, das
Everl mit einem Rucksack, an dem ein Bärli hing, auf dem Weg zum Kindergarten.
Wäre Ottakring nicht so ein harter Hund gewesen, hätte es ihm die Tränen in die
Augen getrieben.
    »Ts, ts, ts«, machte Ottakring. »Der Huawa. Man sollt’s net
glauben.«
    Er hatte also recht gehabt mit seiner Vermutung, ein pensionierter
Polizist sei zumindest beteiligt gewesen an den Raubzügen. Vorgestern hatte es
geheißen – und Rico Stahl hatte ihm eine kurze Information zukommen lassen –,
dass ein dritter Raub in dem abgebrannten Bordell versucht worden wäre. Zwei
oder drei maskierte Männer seien in das Haus eingedrungen, bevor es ein Raub
der Flammen wurde. Kitty, die Besitzerin, hätte allerdings ausgesagt, dass
nichts gestohlen und dass niemand bedroht worden sei.
    »Die Polizei steht schon wieder vor einem Rätsel«, hatte es
abschließend geheißen.
    Ja, das war seltsam. Doch es passte zu dem bisherigen Muster. Die
Räuber – waren es nun zwei oder drei? – hatten niemanden verletzen, niemandem
wehtun wollen. Sie waren unbewaffnet. Zeugen hatten auch berichtet, dass sie
ausgesprochen höflich gewesen seien. Beim Dirndl-Gachinger hatte Ottakring die
gleiche Erfahrung gemacht. Bei dem Überfall auf die Italiener im Flughafentaxi
hatten sie nur einen geringen Teil der möglichen Beute mitgenommen. Das alles
erweckte den Eindruck, als wollten sie lediglich einen bestimmten Geldbedarf
befriedigen. Ottakring hatte den Gedanken kaum zu Ende gesponnen, da merkte er,
dass er laut gesprochen hatte. War es die nahende Senilität oder war es das
Alleinsein, dass er mit sich selbst zu reden begann?
    Wie ein Foto tauchte plötzlich Huawa in seinem Kopf auf. Er sah ihn
hinter seiner Glasscheibe im Präsidium thronen. Dort telefonierte er, las die
Zeitung, wenn er nicht gefordert war, und hatte Ottakring immer mit
ausgesuchter Höflichkeit, ja Herzlichkeit, begrüßt. Dass dieser Mann nun … Nach
Rico Stahls Aussage gäbe es aber keine andere Möglichkeit. Alle Beweise
sprächen gegen ihn.
    »Geldbedarf befriedigen.« Natürlich! Der Pförtner war jedes Mal mit
von der Partie gewesen. Und seine zwei Spezln – Ottakring war überzeugt, dass
es sich um drei Personen handelte – waren seine Helfer gewesen. Oder hatten
womöglich aus Freundschaft oder aus Fürsorgegründen für ihn gearbeitet.
    Die Sache war interessant. Er hatte da so eine Ahnung. Ein winziges
Lächeln begann sich in seinen Mundwinkeln einzunisten.
    Er sah nach draußen.
    Das Gartentürl wollte und wollte sich nicht öffnen. Lola fehlte ihm
so. Da hörte er das vertraute Piepsen einer eingegangenen Nachricht auf seinem
Handy.
    Sicher Rico Stahl, dachte er und runzelte die Stirn.
    Er suchte das Telefon. Es war nicht in der Ladestation, nicht auf
dem Tisch, unter dem Sofa, auch nicht auf dem kleinen Schränkchen in der Diele,
wo er es häufig deponierte.
    Es fand sich endlich in der Hosentasche. Er hatte es eingesteckt, um
Lolas Anruf bloß nicht zu verpassen.
    Es war keine SMS von Rico.
    Es war eine Kurznachricht von Lola.
    Drei Worte, die Ottakring mit einem Schlag zum glücklichsten
Menschen von ganz Oberbayern machten.
    »Du fehlst mir«, schrieb sie. Nur diese drei Worte. »Du fehlst mir.«
    Wiggerl Mayer, der Beamte im Städtischen Fundbüro, hatte gerade
seine Mittagspause beendet und wischte sich den Mund mit einer vorher schon
benutzten Serviette ab. Fast unbemerkt war ein älterer Mann zur Tür
hereingekommen und stand vor seinem Tresen. Wiggerl betrachtete ihn mit
gönnerhafter Höflichkeit. Er war es gewohnt, seine Besucher aufmerksam zu
mustern.
    Der Mann hatte eine auffallend vorstehende Hakennase, auf der eine
starke Lesebrille schwebte, und graue, aus der

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