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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Edi?«, fragte sie ihren Partner, der hinter ihr stand.
    »Todsicher«, stimmte Edi zu und nickte. »Das Böse ist überall, und
das Verbrechen damit erledigt.«
    Nun war er es, der Paradisi zur Seite schob und sich vor den
Maskierten stellte. »Geh, nimm doch des Scheißding runter.«
    Hadi leuchtete die Argumentation ein. Auch er hasste das Scheißding.
Es legte sich wie glitschige Schlangenhaut über Kopf und Gesicht. Mit beiden
Händen rupfte er sich den Strumpf herunter. Auch ohne Strumpf wirkte seine Haut
geschwollen, gepresst und stumpf, die Augen eingefallen.
    Paradisi streckte den Arm aus und schob ihren Edi zur Seite.
    »Na, da sieht man doch endlich, wer hinter dem gnadenlosen
Verbrechen steckt«, rief sie entzückt aus. Dann legte sie den Zeigefinger an
die Nase. »Sag mal, kennen wir uns nicht? Dein Gesicht kommt mir so bekannt
vor. Dabei lese ich gar keine Steckbriefe.«
    Hadi, noch den Strumpf in der einen Hand, machte mit der anderen
eine hilflose Geste und schwieg.
    »Aha, schüchtern, was?« Paradisi lachte schallend, Edi stimmte ein.
Sein Doppelkinn wackelte wie lauwarmer Pudding.
    »Das war der ehrlichste Überfall, den ich je erlebt hab«, sagte sie
mit erstickter Stimme. »Und ich hab davor schon zwei mitgemacht.«
    Sie zögerte kurz. »Nein, warte. Drei sogar.«
    Entschlossen griff sie zu. Selig hielt sie die Box in ihren Händen.
Für einen Moment lupfte sie den Deckel und nickte zufrieden. »Jedenfalls danke,
Kumpel. Du bist ein ehrlicher Mensch.«
    Edi Weißherbst nickte ihr begeistert zu und wandte sich zur Seite.
»Kommst du mal, Polín?«, rief er wie selbstverständlich nach hinten.
    Hadi schoss das Blut in den Kopf.
    Polín! Seine Polín? Wie oft hatte er an sie gedacht, seit sie ihm im
Garstigen Bär über den Weg gelaufen war. Nicht nur einmal hatte er ihren Namen
geflüstert, wenn er nachts im Bett lag.
    Dann stand sie vor ihm und lachte ihn so selbstverständlich an, als
hätte sie ihn erwartet.
    Ihre Zähne blitzten wie bei einem jungen Raubtier. Wieder fielen
Hadi ihre Augen auf. Der Vergleich »wie von einem Gebirgsbach glatt
geschliffenes Glas« kam ihm wieder in den Sinn. Er forschte nach ihrer Iris und …
    »Hi«, sagte sie und hob schulmädchenhaft eine Hand. »Soll ich wieder
Schlitten fahren mit dir?«
    »Uups«, sagte Edi. Er warf Paradisi einen vielsagenden Blick zu.
»Ich glaub, wir stören. Komm, gehen wir.«
    Er legte den Arm um sie und zog sie ins Schlafzimmer. »So, jetzt
kannst du endlich wieder schlafen«, sagte er zu Paradisi und zwinkerte ihr zu.
»Was hast du dir doch Sorgen gemacht, dass es herauskommen könnte mit deinen
Promifotos.«
    Sie hatte vorher schon mit den Tränen zu kämpfen gehabt. Nun entfuhr
ihr ein tiefer Seufzer. Tapfer hielt sie die Metallbox zwischen beiden Händen
fest. Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Augen. Dann schaute sie Edi
erstaunt an, ließ die Box auf einen Sessel gleiten, streifte mit einem
routinierten Ruck nach vorn den Mantel ab und stand hüllenlos vor ihm.
    »Komm, Schatz, das müssen wir feiern«, rief sie halblaut und
streckte ihm die Arme entgegen. Ein Reigen dicker Tränen kullerte über ihr
Gesicht.

DREIUNDZWANZIG
    Bevor KR Ottakring die
Zeitung zur Hand nahm, hatte er noch am Traum der vergangenen Nacht
herumzukauen.
    Es war Weihnachten, und Lola und er standen unter einem gigantischen
Weihnachtsbaum. Der Baum war so hoch wie der am Marienplatz in München, passte
aber trotzdem ins Zimmer, was Joe selbst im Traum übertrieben fand. Es war ein
schöner weißer Wintertag. Lola hatte schwarze Locken, kurze Hosen an und war
sehr klein. Erst jetzt merkte er, dass er selbst auch nicht größer war. Ob sie
klein waren, weil sie Kinder waren oder als Erwachsene geschrumpft, wusste er
nicht mehr. Er fror.
    Einen Ball hatte er Lola geschenkt. Einen Ball mit bunten Tupfen und
Streifen. Auch der Ball war sehr groß. So groß, dass Lola hinter ihm
verschwunden war, als sie ihn im Arm hielt. Sie tollten herum und lachten viel.
Irgendwann warf die kleine Lola den Ball durchs offene Fenster.
    Nun wusste Joe auch, warum es so kalt im Zimmer war.
    Er sprang dem Ball durchs Fenster nach. Oder war er durchs Fenster
geflogen oder engelgleich geschwebt? Er sah den Ball immer weiter und weiter
springen und rollen. Plötzlich befand er sich in einer blühenden
Frühlingslandschaft. Er rannte dem Ball nach, bis er sich verirrt hatte und
nicht mehr wusste, wo er war. Trotzdem folgte er dem Ball und kam durch Wald
und Gestrüpp

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