Sakrileg – The Da Vinci Code: Inkl. Leseprobe aus „Inferno“
fragte Sophie verwundert.
»Hier kommt der Schlussstein ins Spiel. Wenn eines der vier ranghöchsten Ordensmitglieder starb, suchten die verbliebenen drei sich in den niedrigeren Rängen der Prieuré einen Nachfolgekandidaten für das verwaiste Amt des Seneschalls. Dem Nachfolger wurde das Geheimnis jedoch nicht eröffnet, sondern in Gestalt einer Prüfung präsentiert. Wenn er sie bestand, hatte er den Nachweis erbracht, des Amtes würdig zu sein.«
Sophie wirkte alarmiert. Sie fühlte sich an jene »Schatzsuchen« erinnert, die ihr Großvater für sie veranstaltet hatte. Die Weitergabe des Schlusssteins war offenbar ein ganz ähnliches Konzept. Andererseits waren solche Prüfungen bei Geheimgesellschaften üblich. Am bekanntesten war vielleicht das Verfahren der Freimaurer: Mitglieder konnten sich einen höheren Rang erwerben, indem sie sich als fähig erwiesen, über lange Zeit ein Geheimnis zu hüten und über Jahre hinweg Rituale einzuhalten und Prüfungen ihrer Würdigkeit abzulegen. Die Prüfungen wurden von Mal zu Mal schwieriger und gipfelten in der Einführung in den zweiunddreißigsten Grad.
»Das Kryptex ist also eine preuve de mérite «, sagte Sophie. »Wenn ein angehender Seneschall es öffnen kann, hat er sich damit des Geheimnisses als würdig erwiesen, das im Kryptex enthalten ist.«
Langdon nickte. »Ich habe vergessen, dass Sie in solchen Dingen bewandert sind.«
»In der Kryptologie spricht man in diesem Zusammenhang von einer ›sich selbst autorisierenden Sprache‹, was so viel bedeutet, dass derjenige, der schlau genug ist, einen verschlüsselten Text zu lesen, auch die Befugnis hat, seinen Inhalt zu erfahren.«
Langdon zögerte. »Sophie, Ihnen ist doch klar, dass Ihr Großvater, wenn wir hier tatsächlich den Schlussstein vor uns haben, ein außerordentlich hohes Amt in der Prieuré de Sion bekleidet haben muss. Einen der vier höchsten Ränge überhaupt.«
Sophie seufzte. »Ich bin sicher, dass er ein sehr mächtiger Mann in einer Geheimgesellschaft gewesen ist. Dass es die Prieuré war, kann ich allerdings nur vermuten.«
Langdon sah sie verblüfft an. »Sie haben gewusst , dass er einer Geheimgesellschaft angehörte?«
»Ich habe vor zehn Jahren Dinge gesehen, die ich nicht sehen sollte. Seitdem haben wir nicht mehr miteinander geredet.« Sophie hielt inne. »Mein Großvater war nicht bloß ein ranghohes Mitglied dieser Organisation, ich habe Grund zu der Annahme, dass er der Ranghöchste war.«
Langdon konnte kaum glauben, was er da hörte. »Dann wäre er der Großmeister gewesen. Aber es ist völlig ausgeschlossen, dass Sie davon erfahren hätten!«
»Darüber möchte ich mich lieber nicht auslassen.« Sophie blickte zur Seite. Entschlossenheit und Schmerz spiegelten sich auf ihrem Gesicht.
Langdon konnte es nicht fassen. Jacques Saunière war der Großmeister? Trotz der beinahe unglaublichen Implikationen, die sich daraus ergaben – Langdon hatte das beklemmende Gefühl, dass es tatsächlich so war. Schließlich waren bisher sämtliche Großmeister auch angesehene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit einer ausgeprägten künstlerischen Ader gewesen. Den Beweis dafür hatte man vor Jahren in der Pariser Nationalbibliothek in einem Dokument entdeckt, das unter dem Namen Les Dossiers Secrets , die Geheimdossiers, bekannt geworden ist.
Jeder, der sich aus Berufsgründen oder aus Leidenschaft für die Prieuré de Sion oder den Heiligen Gral interessierte, hatte die Dossiers gelesen. Die unter der Katalognummer 4° lm 1 249 geführten und von vielen Sachverständigen als echt eingestuften Dokumente hatten eindeutig bestätigt, was viele Historiker schon lange vermuteten: Leonardo da Vinci, Sandro Botticelli, Sir Isaac Newton, Victor Hugo und in jüngerer Zeit der berühmte Pariser Künstler Jean Cocteau waren Großmeister des Geheimordens gewesen.
Warum also nicht Jacques Saunière?
Doch als Langdon daran dachte, dass er am vergangenen Abend mit Saunière verabredet gewesen war, wurde er wieder unsicher.
Der Großmeister der Prieuré wollte dich treffen. Wozu? Um ein bisschen über Kunst mit dir zu plaudern?
Auf einmal kam Langdon alles wieder fraglich vor. Selbst den eigenen Tod vor Augen, hätte Saunière immer noch drei Seneschalle gehabt, die ebenfalls das Geheimnis kannten und es gehütet hätten. Weshalb also sollte er sich auf das gewaltige Risiko einlassen, den Schlussstein an seine Enkelin weiterzugeben, zumal sie sich mit ihm entzweit hatte? Und wozu
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