Sakrileg – The Da Vinci Code: Inkl. Leseprobe aus „Inferno“
geheim bleibt.« Sie klappte den Deckel des Kästchens zu und betrachtete die Einlegearbeit mit der fünfblättrigen Rose. Sie wirkte irgendwie beunruhigt. »Haben Sie vorhin nicht gesagt, die Rose sei ein Symbol für den Gral?«
»Genau. In der Symbolsprache der Prieuré sind Rose und Gral gleichbedeutend.«
Sophie runzelte die Brauen. »Merkwürdig. Großvater hat mir nämlich immer gesagt, die Rose würde Vertraulichkeit bedeuten. Wenn er zu Hause beispielsweise ein vertrauliches Telefonat führen und nicht gestört sein wollte, hat er immer eine Rose hinter die Klinke seines Arbeitszimmers gesteckt. Er hat mich aufgefordert, das auch zu tun.« Liebling , hatte er gesagt, wir brauchen die Türen nicht abzuschließen. Wenn wir nicht gestört sein wollen, genügt es vollkommen, wenn wir eine Rose – die Blume der Geheimnisse – an unsere Tür hängen. Auf diese Weise lernen wir, einander zu respektieren und uns gegenseitig zu vertrauen. Schon die alten Römer kannten den Brauch, eine Rose aufzuhängen.
»Sub rosa« , sagte Langdon. »Stimmt. Die Römer haben bei vertraulichen Gesprächen eine Rose aufgehängt. Die Dienerschaft wusste, dass alles, was unter der Rose – sub rosa – gesagt wurde, nicht weitergetragen werden durfte.«
Das Motiv der Geheimhaltung, ergänzte Langdon, das im Symbol der Rose anklang, sei nicht der einzige Grund dafür, dass die Prieuré sie auch als Symbol für den Gral benutzte. Rosa rugosa , eine der ältesten Rosenarten, besaß fünf Blütenblätter und eine pentagonale Symmetrie wie der »Meerstern« Venus, wodurch die Rose ikonographisch einen starken Bezug zum Weiblichen erhielt und gleichzeitig zur Vorstellung des Leitsterns, der dem Seefahrer die Richtung weist. Die Kompassrose half bei der Navigation, ebenso die Rosenlinien oder Längengrade der Land- und Seekarten. Daher hatte das Rosensymbol auf vielen Ebenen Bezüge zum Heiligen Gral, in dem sich Vorstellungen über das Geheimnisvolle, das Weibliche, die Geburtssymbolik des Kelchs und das Bild des Leitsterns bei der Suche nach der verborgenen Wahrheit vereinigten.
Mitten in seinen Ausführungen verstummte Langdon plötzlich.
»Ist was nicht in Ordnung, Robert?«, fragte Sophie.
Langdons Blicke ruhten fasziniert auf dem Rosenholzkasten. »Sub rosa« , sagte er, und in seiner Stimme lag Fassungslosigkeit. »Das ist doch nicht möglich …«
»Was denn?«
Langsam hob Langdon den Blick. »Unter dem Zeichen der Rose …«, flüsterte er. »Ich glaube, ich weiß, was es mit diesem Kryptex auf sich hat.«
48. KAPITEL
L angdon fand den Gedanken, der ihm gerade gekommen war, geradezu unglaublich. Doch wenn er in Betracht zog, wer ihnen diesen Marmorzylinder zugespielt hatte und wie er in ihre Hände gelangt war – und dazu noch die Einlegearbeit mit der Rose auf dem Kasten –, blieb für ihn nur eine einzige logische Schlussfolgerung.
Du hältst den Schlussstein der Prieuré in Händen.
Was das betraf, gab es an der Legende nichts zu deuteln.
Der Schlussstein ist ein verschlüsselter Stein, und er liegt unter dem Zeichen der Rose.
»Robert?«, fragte Sophie verwundert. »Was ist denn los?«
Langdon brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. »Hat Ihr Großvater Ihnen gegenüber einmal vom clef de voûte gesprochen, Sophie?«
»Dem Schlüssel zum Gewölbe?«, übersetzte Sophie.
»Das ist zu wörtlich übersetzt. Mit clef de voûte ist kein Schlüssel für ein Bankgewölbe oder einen Tresor gemeint, sondern die Gewölbekonstruktion in der Architektur, etwa das Gewölbe über einem Kirchenschiff.«
»Aber was soll dann der Begriff ›Schlüssel‹?«
»Nun, jedes steinerne Gewölbe benötigt als Abschluss oben in der Mitte einen zentralen keilförmigen Stein, der das Gewölbe schließt und das Gewicht zu den Seiten hin in die Pfeiler ableitet. Diesen Stein nennt man in der Architektur den Schlussstein. Im Englischen heißt er keystone .« Langdon hielt in Sophies Augen nach einem Funken des Erkennens Ausschau.
Sophie zuckte die Achseln und betrachtete das Kryptex. »Aber das ist doch kein Schlussstein für ein Gewölbe.«
Langdon wusste nicht, wo er anfangen sollte. Die Kunst, einen Schlussstein passgenau zurechtzuhauen, war eines der bestgehüteten Geheimnisse der Steinmetzgilden mittelalterlicher Dombauhütten gewesen. Das Geheimwissen, wie man einen keilförmigen Schlussstein zum Bau von Gewölben herstellte und verwendete, hatte die Steinmetzgilden reich werden lassen, und sie hatten dieses
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