Sakrileg – The Da Vinci Code: Inkl. Leseprobe aus „Inferno“
verstummten hinter ihm jäh die Geräusche der Außenwelt. Kein Verkehrslärm mehr, kein Rauschen des Regens, nur eine beklemmende Stille, die durch den Kirchenbau wogte, als läge das alte Gemäuer im Gespräch mit sich selbst.
Langdon und Sophie ging es nicht anders als fast allen Besuchern, deren Blick sofort himmelwärts gezogen wird, wo die großen Gewölbebögen förmlich in die Höhe des Raums zu explodieren scheinen. Wie die Stämme riesiger Mammutbäume streben steinerne graue Pfeiler in luftige Schattenwelten empor, wo sie sich elegant über Schwindel erregende Weiten wölben, um auf der anderen Seite wieder zum steinernen Boden herabzufließen. Die breite Quertrasse des nördlichen Seitenschiffs erstreckte sich vor ihnen wie eine Schlucht, rechts und links von Klippen aus buntem Glas flankiert. An sonnigen Tagen war der Boden der Kathedrale ein bunter Flickenteppich aus farbenfrohen Lichtreflexen. Heute jedoch verliehen der Regen und das trübe Licht dem riesigen Gewölbe die gespenstische Aura eines Mausoleums – das dieser Ort in Wahrheit ja auch war.
»Es ist fast niemand hier«, flüsterte Sophie.
Langdon sah seine Erwartungen enttäuscht. Er hatte auf eine große Zahl von Besuchern gehofft. Das Erlebnis in der menschenleeren Temple Church hatte ihm gereicht. Er hatte damit gerechnet, im Gedränge der Touristen eine gewisse Sicherheit zu finden. Doch seine Erinnerung an Menschentrauben in einer lichtdurchfluteten Kathedrale stammten aus der Hauptsaison im Hochsommer. Heute war ein regnerischer Morgen im April. Statt Menschengewimmel und leuchtenden Glasmalereien sah Langdon nur die endlose Weite eines Steinbodens und düstere Nischen ringsum.
»Man hat uns durch einen Metalldetektor geschickt«, meinte Sophie, die Langdons Anspannung spürte. »Hier kommt keiner mit einer Waffe herein.«
Langdon nickte, war aber keineswegs beruhigt. Er hätte lieber die Londoner Polizei bei sich gewusst, doch Sophies Einwand, dass nicht abzusehen sei, wer die Hintermänner waren, hatte ihn davon abgehalten, die Behörden zu informieren.
Sophie hatte natürlich Recht gehabt. »Wir müssen uns das Kryptex zurückholen«, hatte sie Langdon eindringlich ermahnt. »Es ist der Schlüssel für alles Weitere.«
Es ist der Schlüssel zur Rettung von Leigh Teabing.
Es ist der Schlüssel, den Heiligen Gral zu finden.
Es ist der Schlüssel, um herauszufinden, wer hinter alledem steckt.
Um das Kryptex wieder in die Hand zu bekommen, war das Stelldichein am Grab Isaac Newtons unerlässlich. Wer immer das Kryptex besaß – ohne einen Besuch an diesem Grabmal war das letzte Codewort nicht zu knacken. Sophie und Langdon hatten vor, den Räuber des Kryptex hier zu stellen, falls der Betreffende nicht schon hier gewesen und inzwischen über alle Berge war.
Um aus dem ungedeckten Freiraum des Querschiffs herauszukommen, gingen sie in das von Pfeilern abgetrennte düstere Seitenschiff. Langdon konnte das Bild des entführten Leigh Teabing nicht abschütteln, der jetzt vermutlich in seiner eigenen Limousine gefesselt auf dem Boden lag. Wer die Ermordung der Führungsriege der Prieuré angeordnet hatte, war sicher skrupellos genug, jeden eliminieren zu lassen, der ihm im Weg stand. Es erschien Langdon wie eine bittere Ironie des Schicksals, dass Sir Leigh Teabing – ein geadelter Ritter des modernen England – auf der Suche nach einem Geheimnis seines eigenen Landsmanns und Standesgenossen Sir Isaac Newton als Geisel herhalten musste.
»Wo ist es?«, fragte Sophie.
Das Grabmal! Langdon wusste es nicht. »Wir müssen einen Führer fragen.«
Es hatte keinen Sinn, ziellos auf eigene Faust zu suchen. Westminster Abbey war wie ein Labyrinth aus Mausoleen, Seitenkapellen und in die Wände eingelassenen begehbaren Grabnischen. Wie die Grande Galerie des Louvre hatte sie nur einen einzigen Eingang – das Portal, durch das Langdon und Sophie soeben hereingekommen waren. Es war leicht, in diese Kirche hineinzukommen, aber fast unmöglich, allein wieder herauszufinden. Eine veritable Mausefalle für Touristen , hatte einer von Langdons Kollegen die Kirche nach einem entsprechenden Abenteuer einmal genannt. Der Grundriss der Kathedrale entsprach traditionsgemäß einem gewaltigen lateinischen Kreuz, doch anders als die meisten Kirchen betrat man sie an der Nordseite, nicht durch das Westportal am Ende des Langhauses; obendrein war außen ein weitläufiger Kreuzgang angebaut. Ein falscher Schritt in den falschen Gewölbegang, und
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