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Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai

Titel: Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Francesco Sorti
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schändlichen Affäre zwischen Giulia und dem verruchtesten Papst der Geschichte verdankte. So entstand die Kopie, die sich heute in Mantua, der Stadt der Gonzaga, befindet. Wie aber gelang es dem Maler Facchetti, heimlich in die Borgia-Gemächer im Vatikan einzudringen? Nachts, so heißt es, und indem er einen Garderobier mit einem Paar seidener Strümpfe bestach. Nucciarelli, der Entdecker des Freskos von Pinturicchio, glaubt die Geschichte.
    Pinturicchios Original soll in den Gemächern der Borgia geblieben sein, bis Papst Alexander VII. Chigi (1655-1667), der nach der Wahl seines Namens zu urteilen nicht allzu schlecht von seinem gleichnamigen Vorgänger gedacht haben dürfte, es von der Wand abnehmen ließ und, nachdem die (vermeintlichen) Porträts Alexanders VI. und der Madonna-Giulia zerstört wurden, das Jesuskind in seiner privaten Kunstsammlung aufbewahrt haben soll.

    So weit die Nachricht, wie sie von den Presseagenturen der halben Welt verbreitet wurde. Doch die Rechnung geht aus unterschiedlichen Gründen nicht auf.
    Angesichts der Genauigkeit und Liebe zum Detail, die der Maler Facchetti für seine allerdings hässliche Kopie des Gemäldes aufgebracht hat, könnte einem zunächst der Verdacht kommen, er wäre wunderbarerweise mit einem Fotoapparat und Blitzlicht bewaffnet gewesen … Denn jede Einzelheit, einschließlich der Stellung der Finger, entspricht millimetergenau dem Original von Pinturicchio. Ist ein kurzer Augenblick, heimlich erschlichen, dank der Hilfsbereitschaft eines Garderobiers, dem Seidenstrümpfe fehlten, nicht ein bisschen wenig für eine solche Arbeit, die Ruhe, Konzentration, eine komplette Malausrüstung und vor allem genug Licht erfordert?
    Doch das ist nicht alles. Auf dem Porträt Alexanders VI. das Pinturicchio in denselben Borgia-Gemächern malte (Sala dei Misteri), also wenige Meter von dem angeblichen blasphemischen Porträt entfernt, sind die Hände des Papstes fleischig und grob. Die Hand, die den Fuß des Jesuskindes stützt, ist dagegen schmal und feingliedrig, ähnlich wie die Hände der Madonna, und steht in starkem Kontrast zu der korpulenten Statur des Papstes, was auch auf der Kopie in Mantua zu sehen ist. Pinturicchio kann die Hände des Borgia-Papstes unmöglich auf so unterschiedliche Weisen gemalt haben, doch davon sprechen die Ausstellung und alle beteiligten Kunsthistoriker nicht.

    In Zeitungsartikeln über den Fund, die überall auf der Welt erscheinen, taucht der Name von Giulia Farnese, der «päpstlichen Venus», in jeder zweiten Zeile auf. Der amerikanischen kunsthistorischen Zeitschrift «Artnews» gestand sogar Nucciarelli, dass die Identifizierung der Madonna als Giulia Farnese nur auf «Geflüster» basierte und ein Geheimnis bleiben werde. Kurz, es gibt keine Beweise, dass das Antlitz der Madonna das von Giulia Farnese sein soll, von der es übrigens keine gesicherten Porträts gibt. Eines, eine Dame mit Einhorn, zeigt ein Gesicht, das keine größere Ähnlichkeit mit der Kopie in Mantua hat als die Gesichter anderer Madonnen Pinturicchios, wie zum Beispiel der Madonna der Geburt in der Kirche Santa Maria del Popolo in Rom.
    Die gesicherten Fakten, die in dieser Geschichte eine Verbindung zum Borgia-Papst herstellen, lassen sich also an den Fingern einer Hand abzählen, und keines geht direkt auf die Zeit Alexanders VI. zurück. Als Vasari und Rabelais das Gerücht wiedergeben, demzufolge diese Madonna ein Porträt Giulia Farneses sein soll, liegt der Tod des Papstes über sechzig bzw. dreißig Jahre zurück. Daran ist nichts Erstaunliches, da die Verleumdungen – bekanntlich zu internationalen politischen Zwecken organisiert – schon zu Lebzeiten des Papstes begonnen hatten. Wollte man solche (überdies verspäteten) Klatschgeschichten in den Rang von Beweisen erheben, könnte man ähnliche Verdachtsmomente bei allen Päpsten konstruieren, die sich in Anbetung von Madonnen oder Gekreuzigten darstellen ließen, was allerdings geradewegs ins Delirium führen würde.

    Hinter der Geschichte verbirgt sich jedoch weit mehr als eine falsche, böswillige Identifizierung des Gesichts der Madonna mit Giulia Farnese. Auf diese Spur führt der Unterschied zwischen den Händen: Pinturicchio könnte nämlich jemand anderen als den Borgia-Papst gemalt haben, vielleicht eine Frau, zum Beispiel eine Heilige, oder einen Jüngling, auf jeden Fall einen schlanken Menschen, der gewiss nicht so korpulent war wie der Borgia-Papst. Es ist nicht auszuschließen,

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