Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
benommen habe. Die unglaubliche Episode von der Trennung der Frauen und Männer, die leicht Misstrauen an der Wahrhaftigkeit der ganzen Geschichte wecken könnte, hat er verschwiegen.
Ein Kongress nach dem anderen
Auch Italien und Rom beteiligten sich an dem großen Spiel der Verleumdung der Borgia. In der Wiege der Christenheit, der Wahlheimat Alexanders VI. richtete das Ministerium für Kulturgüter und kulturelle Aktivitäten ein «Nationales Komitee für Forschungskongresse anlässlich des fünfhundertsten Jahrestages des Pontifikats von Alexander VI.» ein, dessen Arbeiten sieben Jahre andauerten und im Dezember 2006 abgeschlossen wurden.
In seiner Einführung zu einem der Bände mit den Kongressakten (die den ehrgeizigen Titel Corpus Borgiano erhielten) sagte der Historiker Massimo Miglio, Präsident der Vereinigung «Rom in der Renaissance», die die Kongresse organisierte, er habe während der Arbeiten gespürt, dass «die Sorge umging, die ganze Initiative könnte eine Rehabilitierung bedeuten». Der Wissenschaftler beeilte sich zu versichern: «Dies ist nicht die Aufgabe historischer Forschung … Es besteht weder die Absicht, etwas abzuschwächen oder zu verschärfen, noch soll hier gerechtfertigt oder Absolution erteilt werden. Meiner Meinung nach gehört dies nicht zu den Aufgaben derjenigen, die historische Forschung betreiben.» Alles soll bleiben, wie es ist; an dem dämonisierten Bild Alexanders VI. darf sich nichts ändern.
Der letzte Kongress der Reihe, der in Rom in der Engelsburg stattfand, trug den Titel «Alexander VI. – böser und glücklicher denn je». Der ätzende Slogan von Guicciardini über den Borgia-Papst wurde sogar auf die kostenlos verteilten Mappen gedruckt, in denen das Publikum Bücher und Broschüren nach Hause tragen konnte, und er ließ keinen Zweifel am Geist des Kongresses aufkommen.
Im Laufe der Tagung werden die unvermeidlichen falschen Briefe von Pietro Martire D’Anghiera und Passagen aus dem Tagebuch von Burkard gelesen. Ein bekannter Schauspieler rezitiert sie vor dem dicht besetzten Parkett. Zwar hatte der Kongress sich zum Ziel gesetzt, «zu überprüfen, ob das Bild der Borgia, wie es aus dem Corpus Borgiano hervorgeht, sich von dem üblichen Etikett der Borgia: Sex, Intrigen und Machtexzesse, unterscheidet». In Wirklichkeit warnt der Präsident der Vereinigung aber während der Tagung noch einmal, man könne und dürfe nicht zu einer «Rettung» des von der Geschichtsschreibung definitiv verurteilten Papstes kommen. Vom Rednertisch auf dem Podium wird zufrieden verkündet, dass das vom Ministerium eingerichtete Komitee in sieben Jahren Arbeit acht Kongresse veranstaltet und 4400 Seiten Kongressakten in zwölf Bänden veröffentlicht habe. Wie ein Kehrreim heißt es immer wieder: «Wir dürfen Alexander VI. nicht rehabilitieren, weil das nicht richtig wäre.» Denn, so unterstreicht der Italianist Francesco Tateo: «Die Geschichte darf nicht rehabilitieren.» Er fügt hinzu, allenfalls könne man die (wenig bekannten) positiven Seiten Rodrigo Borgias neben den (allseits bekannten) negativen ins rechte Licht rücken. In den Redebeiträgen (die eher allgemein gehalten, «zusammengestoppelt» und in einigen Fällen sogar recht konfus sind) wird nicht der geringste Zweifel an der Glaubwürdigkeit der historischen Quellen über Rodrigo Borgia geäußert; erst recht nicht in den Aufsätzen, die die zwölf Bände der Kongressakten füllen. Welchen Zweck hätte das auch? Die Rehabilitation darf ja nicht stattfinden. Also hält man eisern an den immergleichen Burkard, Pietro Martire, Guicciardini und Machiavelli fest. Der Redner Rusconi sagt lapidar: «Nach ihnen bleibt nicht mehr viel zu sagen.» Dem Papst wird Großartigkeit, aber keine Großherzigkeit zuerkannt, das Pontifikat wird rehabilitiert, nicht aber der Pontifex. Das Wichtigste bleibt die moralische Verurteilung.
Der Spanier La Parra Lopez wendet sich scharf gegen das Werk von De Roo, doch wie immer, wenn von De Roo die Rede ist, mit wenigen Worten und ohne zu präzisieren, was er beanstandet. Mit begeisterter Zustimmung wird hingegen Pastor beschworen, einschließlich des Satzes, der das Alexander VI. gewidmete Kapitel seiner Geschichte der Päpste beschließt: «Von nun an ist jeder Versuch, Alexander VI. zu rehabilitieren, vergeblich.»
Um nicht den Eindruck der Verbissenheit zu erwecken, werden ein paar Konzessionen gemacht: Im Grunde unterschied sich Alexander VI. nicht von anderen, er «fügt sich
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