Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
mittlerweile seh ich besser weil meine Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt.
Erst wühl ich zwischen einem Packen Briefe, alle auf Teutsch geschrieben, na Gutenacht denke ich, und wer soll die lesen? Dann finde ich noch mehr Papierkram, nemlich Tabellen Hefte Notizen und lauter Sachen von denen ich keinen Schimmer kapire, bis ich einen dicken Packen Aufzeichnungen entdeck auf dem geschrieben steht:
JOHANNIS BURCKARDI
CAPELLE PONTIFICIE
MAGISTRI CEREMONIARUM
LIBER NOTARUM
Und ich erinnre mich ganz genau, Signior Padrone denn es ist leicht zu verstehn weil es auf Italienisch fast das gleiche ist, nemlich: Libro di note de Giovanni Burcardo Maestro di Cerimonie de la Cappella Pontificia, also Notizbuch von Johannes Burkard, Zeremonienmeister der Päpstlichen Kapelle. Aha! hab ich mir gesagt, das ist interessant, weil das ist ein Tagebuch über alles was der Burkard als Zeremonienmeister vom Papst macht, und wo der Burkard ja auch einer von diesen Straßburgern ist, wär’s doch gelacht wenn ich hier drin nicht was finde was mir hilft mich aus diesem grässlichen Schlamassel rauszuziehn in den ich hier in Rom geraten. Also fang ich an zu lesen und seh es ist wirklich eine vollständige Liste von all den Zeremonien wo man in San Pietro und den andren Kirchen von Rom für den Dienst am Papst macht, aber das ist totlangweilig, nemlich da gibt’s nichts Böses gegen den Papst und auch nicht gegen seine Neffen also Cesare und Lucrezia, und nicht mal was Gutes über Straßburg oder die Alemannen, nein da werden nur Jahr für Jahr und Monat für Monat alle öffentlichen Zeremonien also Messen, Prozessionen Empfänge von Botschaftern und Missionen der päpstlichen Nunzien beschrieben, und dann das was der Papst mit dem Kaiser dem König von Frankreich und dem von Spanien geredet, und es fängt an im Jahr 1483, also vor achtzehn Jahren, und die Kapitel sind nach Jahren unterteilt, also 1483 dann 1484 1485 1486 etcetera, kurzum alles Zeugs aus der Politik was für mich, wie ich Euch schon gesagt habe, Signior Padrone, bloß unverständliches Geschwafel ist, erstens weil’s mich langweilt und zweitens weil ausgerechnet Lionardo mir was davon beibringen wollt, der selbst dümmer ist als wie ein blindes und taubstummes Rindvieh, und darum krieg ich bei der Politik immer nur das Gähnen, und zwar schlimmer als wenn ich mit einer Frau reden muss nachdem ich’s ihr grad besorgt und müde bin.
Ich hab dann noch ein bisschen in dem Tagebuch herumgeblättert und will grade sagen, jetzt scheint’s mir fast Zeit zu gehen, wo ich im Palazzo vom Burkard eigentlich schon mehr Glück gehabt hab als Verstand, da fällt mein Blick auf das Jahr 1494, also vor sechs Jahren, und ich denke, oha, ist das nicht das Jahr wann der spanische Poggio ermordet wurd, der Mitarbeiter vom Burkard? So krieg ich Lust zu prüfen ob in seinem Tagebuch davon die Rede ist, und ich fange an vorn und hinten zu suchen, ich sag Euch, das war eine Mühe denn bei der Schrifft vom Burkard kapirt man keinen Dunst und ist eine Sauarbeit das kann ich Euch sagen, und außerdem mag das Mondlicht ja sehr schön sein wie Dorothea sagt aber zum Lesen taugt es grottenschlecht. Naja, nach langem Suchen find ich endlich diese Nachricht, und lautet mehr oder weniger so: «Am achtzehnten Tag im November ward Giovanni Maria de Podio, Messdiener der Zeremonien und mein Amtsbruder, im Morgengrauen von seinem Diener, dem Piemonteser Tomaso, durch vier Hiebe mit der scharfen Seite eines Beils elendiglich erschlagen, Gott sei seiner armen Seele gnädig.»
Die Geschichte scheint wahr und getreu den Tatsachen, weil so hab ich sie ja auch gehört, aber Burkard hat sie auf eine Weise geschrieben die mir wirklich sonderbar erscheint, denn dieser arme De Podio oder spanische Poggio war ja immerhin sein Kamerad und hat er mit ihm im selben Amt für den Papst gearbeitet, und wer weiß wieviele tausendmal sie zusammen gelacht oder gegessen, und trotzdem hat Burkard den Tod von seinem Amtsbruder in dürren zweieinhalb Worten aufgeschrieben wie wenn seine Katze gestorben wär und nicht ein Mensch und sein alter Gehilfe. Noch sonderbarer ist eine kleine Notiz die Burkard neben die Meldung geschrieben hat, und um sie in diesem vermaledeiten Dunkel entziffern zu können hab ich mir die Augen verdorben die mir sowieso schon mörderisch wehtun:
Poggius Mercurio detur
Da hör ich ein Geräusch das kommt vom Korridor unter mir, und ich denke, wenn man mich hier mit diesen Sachen in
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