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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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Umfeld des Opfers, denen man ein Motiv nachweisen konnte, hatten ein hieb- und stichfestes Alibi, es gab keine Zeugen. Schlageter hatte im Zuge der Ermittlungen jeden noch so brüchigen Strohhalm ergriffen, um wenigstens eine Spur zu finden, aber keine seiner Anstrengungen war von Erfolg gekrönt gewesen, weder die Ermittlungen im privaten Bereich noch die im geschäftlichen Umfeld. Vor zwanzig Jahren war Ernst Wellenbrink in Lörrach das gewesen, was man eine bekannte Persönlichkeit nannte. Als Vorstandsmitglied der Volksbank war er in zahlreichen Gremien vertreten, unter anderem auch im Gemeinderat für die CDU , bekleidete zahlreiche Ehrenämter, war Mitglied in allen wichtigen Vereinen und im Vorstand der Narrenzunft. Er hinterließ eine Frau und drei Kinder. Die Familienangehörigen waren von Beileidsbezeugungen nur so überflutet worden. Die über die Presse öffentlich gemachte Kritik an der unfähigen Polizei, die in dem Fall nicht weiterkam, hatte dazu geführt, dass das Thema lange Zeit aktuell geblieben war. Ein Jahr nach der Tat war die Witwe mit den Kindern nach Berlin umgezogen, um dort ein neues Leben zu beginnen und nicht ständig an den Schmerz erinnert zu werden.
    Schlageter hatte den Fall Wellenbrink irgendwann persönlich genommen und wieder und wieder mit allen möglichen Bekannten des Opfers gesprochen, bis er schließlich, nachdem er nahezu alle Fraktionen des Gemeinderats verärgert hatte, an die Leine gelegt worden war.
    Die Akte erneut zur Hand zu nehmen, würde ihn nicht einen Deut weiterbringen, dessen war er sich sicher. Aber er musste irgendwie diesen nervigen Helbach loswerden. Er wollte sich nicht reinreden lassen. Dabei stimmte, was er sagte. Die Party stand nicht nur unmittelbar bevor, sie war tatsächlich so etwas von ungeplant, dass sich am Schluss wahrscheinlich jeder eine Flasche Cola aus dem Getränkeautomaten ziehen musste. Tschüss, Herr Kommissar. Man würde ihn als geizigen alten Sack in Erinnerung behalten. Vielleicht könnte er eine Schale mit Ein-Euro-Münzen aufstellen, sodass sich jeder nach seinem Gusto aus dem Automaten bedienen konnte? Dazu ein paar Flaschen Wein …
    Nein. Das würde ihn auch nicht in einem besseren Licht erscheinen lassen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, er musste aktiv werden. Die Einladungen waren raus, jetzt musste er seinen Gästen etwas zu essen und zu trinken bieten.
    Schlageter stand auf und begann, die schmutzigen Tassen in die Küche zu tragen. Teilweise waren die Kaffeereste darin zu längst vertrockneten Schimmelkuchen geworden. Als er zurückkehrte, war Helbach noch nicht wieder da. Schlageter kramte das alte Telefonbuch heraus und suchte in den Gelben Seiten den Buchstaben P wie Partyservice.
    * * *
    Mario hatte die Nacht auf einer durchgesessenen Couch in dem Hinterzimmer in Frankfurt verbracht. Jussef hatte ihn eingeschlossen, immerhin gab es aber eine Toilette im offenen Nebenraum. Ihm waren tausend quälende Gedanken durch den Kopf gegangen, und nicht einmal ein ordentlich gefüllter Joint hatte Abhilfe schaffen können. Seine Lage war ernst, so ernst, dass ihm dieses Mal sogar beim Kiffen schlecht geworden war. Immer wenn er Angst hatte, kam es ihm einfach hoch, das war so, seit Mario ein Kind gewesen war. Mit der beruhigenden Wirkung von Gras konnte er es abschwächen, aber in einer dermaßen lebensbedrohlichen Situation wie dieser hätte selbst ein ganzer Haschischkuchen nichts ausrichten können. Er konnte gar nicht so viel kiffen, dass er vor Umut und seinem Riesen keine Angst hatte.
    Er hatte überlegt, was er seinen Großeltern erzählen sollte, wenn er mit diesem Irfan zu Hause auftauchte. Onkel Michael würde kein Problem sein, aber Oma und Opa ganz bestimmt. Nach einer Weile hatte er sich einen Plan zurechtgelegt und hoffte nun, dass Irfan mitspielen würde. Ob sie diesen Koffer wiederbeschaffen konnten? Und was es wohl mit den Sucuk auf sich hatte? Viel wichtiger noch: Was würden sie mit ihm machen, wenn Irfan und er den Koffer nicht wiederfanden? Der Alte hatte gesagt, Irfan solle Mario umlegen, wenn er Ärger machte. Es hatte sich nicht nach einem Scherz angehört.
    Ein Türke, den er hier zuvor noch nicht gesehen hatte, hatte ihm einen Döner und eine Flasche Cola gebracht. Nach dem Essen war Mario eingeschlafen. Um acht Uhr hatte ihn Irfan mit einem Schlag gegen den Kopf unsanft wieder geweckt. Er

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