Salamitaktik
dünnen Pullover eindrucksvoll wippten.
»Gut. Ja, gut, Herr Schlageter. Cool, dass Sie gerade reinkommen, ich wollte noch fragen, ob ich zu Ihrer Party jemanden mitbringen kann.«
Schlageters Knurren lieà offen, ob er die Frage bejahte oder verneinte.
»Cool, dann bringe ich eine Freundin mit.«
»Ich habe gehört, dass die Frau aus dem Karstadt gestorben ist.«
»Ja, übler Shit, was? Damit haben wir heute ziemlichen Stress an der Backe.«
»Jetzt aber mal! Die Frau ist tot«, schimpfte Schlageter. Westermann setzte sich automatisch gerade hin und schaute ihn streitlustig an.
»Ach, und der Herr Schlageter lässt deswegen wohl voller Trauer seine Party ausfallen?«
Schlageter spürte, wie sich in seinem Inneren der Zorn bildete und drohte, den Weg vom Magen die Kehle hinauf zu finden. Er wusste jedoch genau, dass ein Wutausbruch ihn seinem Ziel nicht näher bringen würde, und schluckte die aufsteigende Wut herunter, samt aller möglichen Entgegnungen, die er diesem Schnösel an den Kopf werfen könnte.
»Sie haben ja recht«, sagte er und freute sich über Westermanns verwundertes Gesicht. »Was meinen Sie, wie viele Tote ich in meinem Leben gesehen habe?«
Westermann dachte wohl zuerst, es handele sich um eine rhetorische Frage, aber als Schlageter still blieb, war ihm anzusehen, dass er in Gedanken überschlug, welche Schätzung er anbringen konnte.
»Um die fünfhundert?«, tippte er schlieÃlich.
»EintausendzweihundertsiebenunddreiÃig«, gab Schlageter ernst zurück.
»Die haben Sie gezählt?«
»Ich habe für jede einzelne eine Kerbe in meine Haustür gemacht.«
Westermann sah ihn forschend an, unsicher, wie er darauf reagieren sollte. Erst als Schlageter zu grinsen begann, bewegten sich auch seine Mundwinkel nach oben, bis beide laut lachten.
»Mensch, und da sagen alle, Sie hätten keinen Humor«, sagte Westermann mit einem breiten Grinsen im Gesicht, das Schlageter ihm am liebsten sofort ausgetrieben hätte. Stattdessen erwiderte er fast säuselnd: »Ach, wenn man in dem Beruf seinen Humor verliert, wird man nicht so alt wie ich.«
Westermann nickte anerkennend.
»Aber jetzt mal im Ernst«, begann Schlageter. »Was war denn die Todesursache?«
Dass Westermann zuerst in seinen Computer schauen musste, bewies Schlageters Ansicht nach, wie falsch der Fall bei diesem Team aufgehoben war. Und Westermann war noch der gewissenhaftere der beiden. Das sah man nicht zuletzt daran, dass Faller immer noch nicht im Büro aufgetaucht war. Langsam wurde es Zeit dafür.
»Das Krankenhaus hat gemeldet, dass sie wohl an einem allergischen Schock gestorben ist«, antwortete Westermann nach ein paar Sekunden. »Gestern Abend um zweiundzwanzig Uhr zwölf hatte sie während des Krankentransports einen Atemstillstand und wurde noch ungefähr eine halbe Stunde künstlich beatmet, bevor sie gestorben ist. Die anschlieÃende Leichenschau hat das bestätigt. Scheià Geschichte, was?«
»Was hatte sie denn für eine Allergie?«, fragte Schlageter.
Westermann starrte wieder auf den Schirm und klickte zweimal mit seiner Maus.
»Erdnüsse und Krustentiere.«
»Woher wissen die Ãrzte das?«
»Vom Ehemann natürlich. Blöderweise wird wohl einer der Bestandteile dieser Wundercreme aus Shrimps gewonnen. Dann doch lieber Krabben pulen, als sie sich ins Gesicht schmieren, was?« Westermann grinste wieder, und Schlageter musste zugeben, dass der junge Polizist wirklich ein gewinnendes Lächeln hatte. Aber was nützte selbst das gewinnendste Lächeln, wenn sich im groÃen Hohlraum über Mund und Nase nichts als Bohnenstroh befand?
»Wer hat die Leichenschau vorgenommen?«, fragte er.
Westermann schaute wieder in seinen Computer und antwortete: »Ein Dr. Schönhorst. Ist das wichtig?«
Schlageter schüttelte den Kopf. Westermann verstand die Geste als Antwort auf seine Frage, aber Schlageter hatte den Kopf aus einem anderen Grund geschüttelt.
»Hat die Staatsanwaltschaft eine Obduktion veranlasst?«
»Was? Nee. Wozu? Auf dem Totenschein steht zwar nicht âºnatürliche Todesursacheâ¹, aber was es war, ist ja klar. Also hat der Arzt gemeint, dass eine Obduktion nicht zwingend notwendig ist. Hey, was schauen Sie denn so grimmig?«
Schlageter riss sich zusammen. Dabei stand ihm die Galle schon wieder fast bis
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