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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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aufstehen müsse. Mario kannte das. Schlief er jetzt noch einmal ein, würde sein Großvater in zehn Minuten in seinem Zimmer stehen und an seiner Schulter rütteln. Das passierte in letzter Zeit seltener, weil Mario sich angewöhnt hatte, sich beim ersten Wecken aus dem Bett zu quälen.
    Nach der Dusche traf er in der Stube auf seine Großeltern, Onkel Michael und Irfan, die bereits frühstückten. Irfan trug auch heute einen leger wirkenden Anzug und ein weißes Hemd. Mario fragte sich, wie ein Hemd so strahlend weiß sein und bleiben konnte. Es sah aus wie nagelneu.
    Â»Hallo, Mario!«, begrüßte ihn Onkel Michael laut, der auf dem Platz neben Irfan saß. »Wir haben zusammen die Eier geholt.« Dabei legte er einen Arm um Irfan, was dieser erwiderte. Offenbar hatten die beiden mittlerweile Freundschaft geschlossen. Mario wusste nicht recht, ob er das gut finden sollte.
    Er setzte sich auf seinen Platz und köpfte das gekochte Frühstücksei. Irfan lächelte in seine Richtung. Noch etwas Neues. Bislang hatte er ihn zwar stets aufmerksam beobachtet, aber ein freundliches Zeichen hatte es selten von ihm gegeben.
    Das Frühstück verlief sehr angenehm, wurde aber jäh von einem sehr türkisch klingenden anmutenden Klingelton unterbrochen, worauf Irfan hektisch in seiner Hosentasche nach dem Telefon suchte. Noch bevor er das Gespräch annahm, verließ er den Tisch und ging nach draußen. Bevor er die Tür hinter sich schloss, hörte Mario ihn »Babacıgım« sagen. Die Familie aus Frankfurt ließ wohl die Familie grüßen und verlangte Fortschritte. Als Irfan nach einer Viertelstunde wieder zurückgekehrt war, wirkten seine Gesichtszüge wieder härter. Auch schien ihm die Lust an einem Gespräch vergangen zu sein. Er drängte Mario dazu, seinen Kaffee schneller auszutrinken, weil er sich noch etwas anschauen wolle. Onkel Michael wollte mit, aber Mario sagte ihm sofort, dass das nicht ging.
    Â»Wir können später Fußball spielen«, schlug Irfan vor, was Michi gleich wieder zum Strahlen brachte.
    Auf der Fahrt in Richtung Lörrach hatte Mario Irfan auf den Anruf angesprochen, bekam allerdings keine wirkliche Antwort. Irfan bestätigte seine Vermutung nur insoweit, dass er meinte, sie müssten sich beeilen. Auch in Marios Interesse.
    Sie parkten den BMW schräg gegenüber dem Hauseingang. Mario war es mittlerweile gewohnt, dass Irfan ihm erst zu diesem Zeitpunkt mitteilte, was sie jetzt machen würden, doch entweder wusste er es diesmal selbst noch nicht, oder er hatte einen Grund, zu schweigen. Jedenfalls stieg er einfach aus und marschierte auf die Haustür zu.
    Vier Namen waren auf dem Klingelschild angebracht. Der unterste lautete Hanspeter Schlageter. Irfan drückte darauf, während Mario ihn unruhig fragte: »Was sagen wir denn?«
    Â»Kommt darauf an. Vielleicht die gleiche Geschichte wie bei Harry Mbene.«
    Doch dazu kam es nicht. Niemand antwortete auf das Klingeln. Mario war eine Mischung aus erleichtert, weil ihm die nächste Lügengeschichte erspart blieb, aber auch beunruhigt, weil sie dem gesuchten Sucuk so nicht näher kamen.
    Â»Darf i mool duure?«
    Sie machten einer älteren Dame Platz, die zwei Einkaufstaschen schleppte. Sie schloss die Tür auf, und Irfan bot ihr an, die Taschen für sie zu tragen. Obwohl sie sicherlich schon müde war vom Weg vom Geschäft hierher, musterte sie Irfan und Mario mit einem Blick, der vermuten ließ, dass sie überlegte, ob sie wohl Verbrecher sein könnten. Offenbar kam sie zum falschen Schluss, denn sie nahm das Angebot dankend an: »Das isch aaber e feine Zuug vo euch!«
    Mario folgte den beiden ins Innere des Hauses. Während Irfan mit der Frau nach oben verschwand, fand er im Erdgeschoss eine massive, ungeschmückte Wohnungstür mit Spion, an deren Klingel »Schlageter« stand.
    Irfan kam kurz darauf wieder nach unten und betrachtete ebenfalls Tür und Klingel. Er straffte die Schultern und drückte auf den kleinen Knopf. Sie hörten die Schelle, aber sonst passierte nichts weiter. Irfan legte den Kopf mit einem Ohr an die Tür.
    Â»Was machst du?«
    Â»Sei still!«
    Also blieb Mario bewegungslos stehen und wartete gefühlt eine ganze Minute, bevor Irfan den Kopf von der Tür wegnahm und flüsterte: »Ich gehe rein. Du wartest vor der Tür und rufst mich an, wenn jemand

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