Salamitaktik
»Dann in Larsâ Zimmer?«, fragte er, und sie folgte ihm, während Weng und Lutz in der Küche zurückblieben.
Larsâ Zimmer sah aus wie ein Skelett in der Wüste. Das Bett war nicht bezogen, die Regale und der Schrank leer. Nur noch ein paar Heftzwecken zeigten, wo früher einmal seine Poster gehangen hatten. Am Schreibtisch, der bis auf das Kamera-Equipment und ein paar Kabelbündel ebenfalls leer geräumt war, stand ein Bürostuhl, der schon etwas staubig wirkte.
»Willst du dich setzen?«
»Nein, danke. Ich stehe lieber.«
Schlaicher schloss die Tür und hatte keine Ahnung, was er jetzt sagen sollte. Aber Martina übernahm die Initiative: »Wie geht es Lars?«
»Ziemlich gut. Ich war gerade in Frankfurt und habe ihn besucht. Wir arbeiten jetzt wieder zusammen.«
»Wie, hast du in Frankfurt eine Filiale aufgemacht?«
Schlaicher musste lachen. Auch Martinas gestresst wirkende Gesichtszüge lockerten sich ein wenig.
»Nein. Er hat mit zwei Freunden eine Softwareschmiede aufgemacht. Sie haben mir ein Programm geschrieben, mit dem Kameras selbstständig nach Dieben suchen können.«
»Und das funktioniert?«, fragte sie überrascht.
»Sieht so aus.«
»Freut mich für euch, ehrlich. Grüà ihn bitte ganz lieb von mir, wenn du ihn mal wieder sprichst.«
»Klar.«
Eigentlich hatte Schlaicher Martina nicht für Small Talk um ein Gespräch unter vier Augen gebeten, aber es schien ein guter Beginn zu sein. Er wurde jetzt mutiger und sagte: »Also, weshalb ich mit dir reden wollte â¦Â«
»Ja?« Sie wirkte wieder vorsichtiger, leicht abweisend verschränkte sie die Arme vor der Brust.
»Du weiÃt, dass es mir sehr leid tut.«
Martina drehte sich weg, doch Schlaicher sprach trotzdem weiter. Das Schwerste hatte er jetzt hinter sich. »Ich wollte dir nur noch mal sagen, dass ich mich selbst hasse für das, was ich dir angetan habe. Ich habe es mittlerweile verstanden. Es ging nicht um den Kuss, sondern darum, dass ich dich belogen habe.«
»Bist du fertig?«
»Martina. Alles, was ich will, ist, dass es dir gut geht. Ich will dich nicht anbetteln, mir noch eine Chance zu geben, ich will mich nicht erklären, aber ich möchte dich aus ganzem Herzen bitten, mir zu verzeihen.«
Martina ging an ihm vorbei, öffnete die Tür und lieà Schlaicher allein im Zimmer stehen.
Wenig später rief Weng: »Tschüss!«, dann waren die beiden aus der Wohnung verschwunden.
»Mensch, was für ein Exemplar von einer Frau«, sagte Lutz, als Schlaicher wieder in die Küche kam. »Ich glaube, ich hab mich verliebt.«
Schlaicher setzte sich und nahm einen groÃen Schluck Wein.
»Sag mal, hast du mit der Martina mal was am Laufen gehabt?«
»Ich möchte nicht darüber sprechen«, sagte Schlaicher mit einer derartigen Schärfe, dass sich Lutz auf seinem Stuhl ganz klein machte. »Ich denke, wir sollten jetzt die restlichen Arbeiten erledigen, und dann ist Feierabend angesagt.«
»Chef?«
»Ja?«
»Wenn ich gewusst hätte, dass es so coole und spannende Jobs gibt und dazu noch so einen guten Chef, hätte ich wahrscheinlich schon früher zu arbeiten angefangen. Ich wollte nur mal Danke sagen.«
Schlaicher musste lächeln. »Ich danke dir.«
*Â *Â *
Mario und Irfan waren nach der Begegnung mit Schlaichers Nachbar erst einmal um die nächste Ecke gefahren und hatten dort erneut angehalten. Glücklicherweise war Irfan ihm nicht böse gewesen, dass er auf die Idee gekommen war, nach dem Weg zu fragen. Sie hofften, dass sie so davongekommen waren, ohne den Nachbarn noch mehr auf sich aufmerksam zu machen.
Mario war schlieÃlich ausgestiegen und zurück zu der Kreuzung gegangen, um zu sehen, ob der Nachbar noch drauÃen war. Er konnte ihn nirgends entdecken. Also hatte Irfan gewendet, und sie waren langsam an Schlaichers Haus vorbeigefahren. Oben brannte noch immer Licht.
Als sich Mario gerade fragte, was Irfan nun vorhaben mochte, überraschte der ihn mit einem unerwarteten Vorschlag: »Wir müssen uns die ganze Sache mal aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Hast du auf dem Hof noch etwas zu rauchen?«
»Und ob!«, sagte Mario.
Irfan überraschte Mario erneut, als er ihm in seinem Zimmer das Gras, den Tabak und die Blättchen abnahm und selbst begann, einen richtig fetten Joint zu drehen.
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