Salamitaktik
sagte er und hoffte wohl, dass sie der letzte Satz zur Flucht veranlassen würde. Aber Irfan war es nur recht, wenn der Typ bald zurückkehrte. Das würde ihm endlich die Möglichkeit eröffnen, den Job abzuschlieÃen und zu seiner Familie zurückzufahren.
Mario fühlte sich wie in einen skurrilen Mafia-Film gebeamt. Mit einem Joint vor dem Fernseher in seinem Zimmer mochte er die ganz gern, aber in Realität war es einfach nur furchterregend.
»Was hänndâr midd mir voor?«, fragte Trefzer.
»Verdammt, wir sind nicht hier, um deine Fragen zu beantworten, alter Mann«, spuckte ihm Irfan entgegen. »Du, knebele ihn.«
»Womit soll ich das machen, Irfan?«
»Keine Namen!«, stieà Irfan wütend hervor.
Mario zuckte zusammen. Oh Gott! Was hatte er getan? In den Filmen war von diesem Moment an klar, dass der Gefesselte am Ende mit einer Kugel im Kopf am Boden liegen würde. Trefzer lag jetzt schon, und die Pistole blickte ihm unbarmherzig ins Gesicht.
»Ich haa nüdd gâhöörd«, flehte er.
»Sorry. Ich wollte nicht â¦Â«
»Knebeln!«, befahl Irfan. »Warum läuft mit dir nur immer alles schief? Ich sollte dir einfach eine Kugel in dein verkifftes Hirn ballern. Dann wäre endlich Ruhe.«
Unten fand Mario in einer Schublade ein braunes T-Shirt. Er brachte es Irfan, der es Trefzer aus lauter Wut sehr unsanft in den Rachen stopfte und mit einem weiteren Stück Kabel den Knebel befestigte.
»So, jetzt sei still. Ich muss nachdenken. Du bleibst bei dem hier und passt auf, dass er keinen Unsinn macht. Wenn doch, sorgst du dafür, dass ich nicht gestört werde.« Damit gab er Mario den Schocker und ging, etwas auf Türkisch murmelnd, nach unten.
*Â *Â *
»Eigentlich ist er ganz nett«, flüsterte der junge Kerl Erwin Trefzer zu. »Es tut mir wirklich leid, dass wir jetzt in so einer doofen Situation sind.«
Trefzer lag ungemütlich auf der Seite. Das Gewicht seines Oberkörpers ruhte schwer auf seinem Arm. Die Kabel, mit denen er gefesselt worden war, hielten seinen vorsichtigen Versuchen, sie zu lösen, stand. Am Schlimmsten aber war dieser Knebel, den ihm der Ãltere der beiden tief in den Mund gedrückt hatte. Trefzer konnte nur noch durch die Nase atmen, seine Zunge wurde von dem sich vollsaugenden Stoff nach unten gedrückt, seine Kehle fühlte sich schon ganz trocken an, und der weit geöffnete Kiefer schmerzte. Hinzu kam, dass er das T-Shirt kannte. Er hatte es Schlaicher vor einem knappen Jahr selbst verkauft. Der Einkaufspreis hatte knapp unter drei Euro gelegen. Eine Fehllieferung aus China, von der er sich gleich vierhundert Stück sichern konnte. Für fünf Euro pro Stück hatte er die Teile weitergegeben. Wenn er damals gewusst hätte, dass er irgendwann einmal in Schlaichers Wohnung liegen und Angst haben würde, an diesem T-Shirt zu ersticken, hätte er auf den mickrigen Gewinn lieber verzichtet.
»Und dass Sie jetzt auch in der Geschichte mit drinstecken«, flüsterte der Junge. Er wirkte ehrlich betroffen.
Trefzer konnte es gar nicht richtig begreifen. Eben noch hatte er gemütlich eine Speckvesper eingenommen, jetzt lag er bei Schlaicher in der Wohnung und lief Gefahr, von zwei absolut durchgeknallten Einbrechern umgebracht zu werden ⦠Nicht mal sein Kirschwasser hatte er vorher trinken können.
»Hmmm«, machte er.
»Psst!« Der Junge legte einen Finger auf den Mund. »Bleiben Sie ganz ruhig, dann wird Ihnen nichts passieren.«
Sag das mal deinem Kollegen, dachte Trefzer. Der Typ im Anzug wirkte nicht so nett wie der etwas dämlich erscheinende Knabe hier. Der Junge war nur ein harmloser Handlanger, das war ihm klar, der andere aber ein richtiger Verbrecher. Irfan. Das klang türkisch und passte auch zu dem Aussehen des Mannes. Trefzer wünschte nur, der Handlanger hätte den Namen nicht gesagt. Er war sich nicht sicher, ob es gut war, gefesselt und geknebelt am Boden zu liegen und die Verbrecher nicht nur gesehen zu haben, sondern auch den Namen des Hauptgangsters zu kennen. Warum hatte der blöde Junge nicht auch den Nachnamen dazugesagt? Das hätte ihn gleich noch mehr in die Bredouille gebracht!
»Jetzt schauen Sie nicht so böse«, flüsterte der Junge. »Ich bin übrigens Mario.«
Herrgottsaggramendaaberau, naai!, dachte Trefzer und presste beide Augen fest zu. Innerlich stöhnte er
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