Salomes siebter Schleier (German Edition)
Blockhütte, eins fünfzig breit und zwei Meter hoch. In dieses Bauwerk setzte er eine lebende Krähe. Das Tier erhielt eine Stange aus Klopapierrollen (schwarz, wie die anderen), einen schwarzen Wasserbehälter aus Plastik und eine schwarze Keramikschale, die mit einer dunklen Sorte Sonnenblumenkerne gefüllt war. Diese Installation stand in seiner Ausstellung unter dem Titel
Ministerium für Verdeckte Operationen
.
Ein Kurator des Israel-Museums in Westjerusalems Givat Ram war dermaßen davon angetan, dass er ein Angebot machte. Die Israelis würden es kaufen, unter der Bedingung, dass Boomer es nach Jerusalem begleitete und es rechtzeitig für eine Ausstellung wieder zusammensetzte, die sich mit dem Thema der nationalen Sicherheit aus der Sicht von Künstlern beschäftigte. Die Ausstellung sollte in weniger als zwei Wochen beginnen.
Ultima war davon sehr angetan, obgleich es bedeutete, dass das Kunstwerk vorzeitig aus ihrer Galerie verschwinden musste. Boomer, der noch nicht ganz davon überzeugt war, dass Jerusalem tatsächlich existierte, sagte, er würde es sich überlegen. Und erst als er hörte, wie er Ellen Cherry von seiner Reise erzählte, merkte er, dass er bereits entschlossen war, sich dem Druck seiner ehemaligen Frau, seiner Galeristin und seines plötzlichen Ruhms zu entziehen und mit seiner Fracht aus Klopapierrollen und einer streitsüchtigen zahmen Krähe in diese verwirrende Stadt zu fliegen, die hier nacheinander als
Auge, Nabel, Stimme
und
Arschloch
der Welt bezeichnet wurde.
Mitte November startete Boomer vom JFK -Airport aus, in der Absicht, spätestens zu Thanksgiving zurück zu sein. Zwischen Jeans, Boxershorts, Hawaiihemden und zueinanderpassenden Socken in seiner hastig gepackten Reisetasche quetschte sich auch ein einzelner roter Strumpf, der, hätte er für Boomer nicht einen zweifelhaften sentimentalen Wert besessen, schon längst in der Mülltonne gelandet wäre. So aber wollte es eine Fügung des perversen Schicksals, dass Clean Sock – Clean Sock! – die Reise nach Jerusalem antrat.
Hätte sein seit langem verschwundener Zwillingsbruder Kenntnis von dieser Sachlage erlangt, wären wohl die vulgärsten Flüche aus dem Keller der St. Patrick’s Cathedral aufgestiegen, und Dirty Sock wäre von einem Ende dieser Behausung, die in seinen Augen kaum weniger trostlos und bedrückend war als das Innere einer x-beliebigen Wäscheschublade, ans andere getigert und hätte sich selbst in den Arsch getreten.
So hatte es schon einiges für sich, dass Dirty Sock nichts davon ahnte. Er lag zusammengerollt und faul vor dem Gitter, wartete in aller Unschuld auf die Rückkehr von Turn Around Norman und schenkte Can o’ Beans, der/die vor Spoon auf seine/ihre Art über die mögliche Größe, Form und Bedeutung des Dritten Tempels von Jerusalem spekulierte, nur wenig Aufmerksamkeit.
Der Einzige von den sieben Zwergen, der sich rasierte, war der kleinste. Das sollte uns etwas über die Weisheit des Rasierens verraten.
Wenn Can o’ Beans ein Mann gewesen wäre, hätte er/sie wahrscheinlich einen Bart gehabt. Zumindest wäre es nicht abwegig anzunehmen, dass er/sie einen gepflegten Spitzbart oder etwas ähnlich Altertümliches getragen hätte, dazu vielleicht einen weißen Anzug, an den Ärmeln abgewetzt und speckig, und dass er/sie sich beim Gehen auf einen Stock mit einem Adlerknauf gestützt hätte. Man stelle sich vor, wie er/sie vor dem Kaminfeuer in der Bibliothek des Explorer’s Club säße und nachdenklich einen Cognacschwenker in der Hand drehte.
Vielleicht ist diese Phantasie viel zu beschränkt, viel zu simpel gestrickt, um einer so komplexen Gestalt gerecht zu werden, aber sei’s drum. Tatsache war, dass Gesichtsbehaarung und die zwergenmäßige Entfernung derselben für unser Gefäß überhaupt kein Thema waren. Es versuchte, so würdevoll wie möglich die Reste seines Etiketts zu schützen, während es auf einem rußgeschwärzten Gesangbuch hockte, das wiederum auf einem umgedrehten Kohleneimer lag, und bemühte sich, sich über dem verrückten Walzer des hereinbrandenden Verkehrslärms, dessen hektische Crescendos durch das Gitter hupten und kreischten, Gehör zu verschaffen. Dennoch hätte der Dessertlöffel, der zu seinen Füßen lag, nicht aufmerksamer sein können, wenn Can o’ Beans von Zeit zu Zeit die Hand gehoben hätte, um sich über seinen vorbildlichen Schnurrbart zu fahren.
Spoon zuliebe hatte Can o’ Beans soeben noch einmal alle Informationen über
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