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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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nicht so schlecht.»
    Sie lächelte auf eine Art, die ihm unten in der Bowery, am anderen Ende der Leitung, bewusst werden ließ, dass sie lächelte. Es gibt ein Lächeln, das tatsächlich durch eine Telefonleitung schlüpfen kann, obgleich kein Techniker der Telefongesellschaft erklären könnte, wie das gehen soll.
    Boomer beantwortete das Lächeln. «Die Leute nehmen die Kunst einfach zu ernst. Hab ich das schon gesagt? Aber weißt du, sie nehmen auch ihre Beziehungen zu ernst. Bei mir war es meistens so. Bei dir auch. Und heut Morgen geht es wahrscheinlich uns beiden so.»
    «Scheint, als hätte ich das alles gewusst und dann wieder vergessen. Wie ein eigentlich guter Schwimmer, der eines Tages von einer Welle überrascht wird und ertrinkt.»
    «Zuerst verkrampft man sich, und dann säuft man ab. Kann jedem passieren. Wenn die Liebe einem auf den Magen schlägt …»
    «Die Leute neigen dazu,
alles
viel zu ernst zu nehmen. Vor allem sich selbst.»
    «Genau. Und deshalb sind sie wahrscheinlich die meiste Zeit so ängstlich und verletzt. Das Leben ist einfach zu ernst, um es derart ernst zu nehmen.»
    Noch ein Lächeln kroch auf schmerzhaft gekrümmten Beinen durch die Leitung. «Ich möchte mir deine Ausstellung ansehen. Wirklich. Ich werde kommen. Sobald ich den Nerv dazu habe. Vielleicht können wir uns dann zusammensetzen und ein paar Witze machen.»
    «In Ordnung», sagte er. «Machen wir. Ich melde mich, sobald ich aus Jerusalem zurück bin.»
    I & I

Jerusalem. Jeru Salaam. «Stadt des Friedens.» Das einzig Lustige daran war sein Name. Siebenunddreißig Kriege (nicht Schlachten, sondern Kriege) waren darum geführt worden. Siebzehn verschiedene Eroberer hatten es siebzehnmal in Schutt und Asche gelegt. Jedes Mal wurde es wieder aufgebaut – und jedes Mal erneut belagert.
    Jerusalem. Ein öder, hügeliger, provinzieller Boxenstopp auf der windigen Straße ins Nichts. Es hatte weder einen Hafen noch strategisch bedeutsame Festungen, noch ein fruchtbares Hinterland. Keine Bäume, die man hätte fällen, keine Fische, die man hätte fangen, kein Erz, das man hätte fördern können, und kaum mehr als eine Handvoll Disteln für das Vieh. Ein Ort, der so gut wie nichts zu bieten hatte und nach dem doch seit mehr als dreitausend Jahren alle begehrlich die Hand ausstreckten.
    Jerusalem. Jeru Salaam. Entstanden aus reinem Geist, getränkt mit vergossenem Blut. Ein goldener Schrein, unablässig geschwärzt von Brand und Schlachten, nur um dann von frommen Knien und Schriftrollen mit traumhaften Prophezeiungen wieder auf Hochglanz poliert zu werden. Jerusalem. Als sie das Geschrei seiner Kinder nicht länger ertragen konnten, wurden auf der ganzen Welt die Steine taub.
    Jerusalem. Eine mystische Metropole mit sieben magischen Toren. Wenige haben sie betreten, keiner hat sie vergessen. Zentrum des Todes und Sitz der Unsterblichkeit zugleich. Nabe am Rad der Pilgerschaft. Brennpunkt allen aufgefangenen Sternenlichts. Fleckiger Spiegel des Himmels auf Erden. Sprungbrett in die Ewigkeit. Die Stadt, die sich von keiner Logik in die Knie zwingen ließ. Die Stadt unter allen Städten, der Wiederkehr und Erlösung verheißen sind. Man munkelt, nicht nur Christus, sondern auch der Messias hätte Eintrittskarten. Jeru Salaam.
    Was Boomer Petway anging, so war Jerusalem in der Sonntagsschule gegründet worden und wurde in den Sechsuhrnachrichten aufgepäppelt. Jedenfalls war es kein Ort, den man tatsächlich besuchte. Es war nicht einmal ein Ort, über den man sich unterhielt, es sei denn, man war ein religiöser oder politischer Fanatiker (was mehr und mehr zur selben Sache wurde). Trotzdem hörte er sich jetzt sagen, dass er dorthin fliegen würde, und obwohl eine solche Reise ihm noch unwirklicher erschien als sein Erfolg in der Kunstwelt, musste er einräumen, dass es wahrscheinlich stimmte.
    Sein ganzes Erwachsenenleben lang hatte Boomer die Pappröhren aus Klopapierrollen gesammelt. Er wusste selbst nicht recht, warum. Man hatte ihm die Dinger zum Spielen gegeben, als er klein war, und eine gewisse Affinität schien sich bis heute gehalten zu haben. Jedenfalls stapelten sich auf dem Dachboden seines Bungalows in Colonial Pines alte Klopapierrollen aus mehr als zehn Jahren, und als er anfing, Kunst zu machen, fuhr er runter nach Virginia und lud sie in seinen Lieferwagen. Es waren Hunderte. Er besprühte sie mit schwarzem Acryllack. Als sie trocken waren, schichtete er sie wie Hölzer zusammen und baute eine Art

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