Salomes siebter Schleier (German Edition)
Tabletts mit Falafel war jedes ausdruckslose Gesicht – gefangen im Widerstreit von Ego und Entspannung, Angst und Entzücken – im Raum ihr zugewandt.
So beschäftigt war Ellen Cherry an diesem Abend, die übrigen Wünsche ihrer Gäste zu erfüllen, Wünsche nach Essen und Trinken (hauptsächlich Trinken), dass sie kaum Zeit hatte, über Patsys Anruf nachzudenken. Jede Entscheidung hinsichtlich Boomers, und ob sie ihn vor Buddys mutmaßlichen Plänen warnen sollte, musste auf später verschoben werden. Spontan hätte sie jedoch gesagt, dass ihr Mann – technisch gesehen war er das ja noch – einen großen Bogen um Buds Vorhaben gemacht hätte, selbst wenn Bud ihn um Mithilfe gebeten hätte, was unwahrscheinlich war. Der Boomer Petway, den sie zu kennen und verstehen glaubte, würde sich kaum am schamlosen Flirt der Kirche mit dem Ende der Welt beteiligen, und ganz sicher würde er sich nicht danach drängeln, ihren Untergang einzuleiten. Oder doch? Er war in der Vergangenheit Bud gegenüber nicht nur tolerant, sondern auch großzügig gewesen, und unglaublich viele ansonsten völlig normale Bürger waren auf ihn hereingefallen und hatten ihm Beträge gespendet, die die meisten sich kaum leisten konnten.
Vielleicht hatte die Aura der Unbekümmertheit, die Salome ausstrahlte, einen Einfluss auf Ellen Cherrys Unterbewusstsein, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Gott eines Tages mit voller Wucht auf die Bremse treten und die ganze Welt durch die Windschutzscheibe fliegen lassen würde. Welchen Sinn hätte das gehabt? War das Leben nur ein fehlgeschlagenes Experiment, das eines Tages beendet würde? Da seine Propheten vor Tausenden von Jahren ein infernalisches Ende vorausgesagt hatten, sah es aus, als hätte Gott die ganze Zeit gewusst, dass sein Experiment eines Tages fehlschlagen würde. Aber warum sollte ein allwissender, allmächtiger Gott sich die Mühe machen, ein unendlich komplexes Universum zu erschaffen, wenn ihm von Anfang an klar war, dass es auf keinen Fall funktionieren und schrecklich enden würde?
«Tut mir leid, Sir, Maccabee wird nicht in Flaschen exportiert. Wollen Sie es aus der Dose? Sonst hätten wir auch Stella in der Flasche. Das ist ein ägyptisches Bier.»
Man konnte das Ganze auch so sehen, dass das Leben kein Experiment war, sondern ein Test, den die meisten – nicht alle – vermasselten. Auf die wenigen, die ihn bestanden, wartete eine Belohnung, ein Leben nach dem Tod, das nicht nur, soviel man weiß, dem Leben überlegen ist, sondern auch frei vom eingebauten Alterungsprozess des Lebens. Irgendwas an diesem System wirkte stark vereinfachend, wenn nicht gar nivellierend, aber sie wusste nicht genau, was es war, im Moment jedenfalls nicht.
«Zwei Maccabees, ein Stella und einen Cognac Alexandria», sagte sie zum Barmann. «Nein, nicht Alexander, Alexandria. Ich weiß auch nicht, was der Unterschied ist. Aber wenn du willst, frag ich auf dem Weg in die Küche den Kerl mit dem Fez.»
Ein Punkt, an dem sie relativ wenig Zweifel hegte, war, dass Buddy Winkler nicht das geringste Gespür für die Schönheit des Lebens besaß, dass seine Unempfindlichkeit gegenüber dem Leben an sich irgendwie mit seiner beinharten Überzeugung zu tun haben musste, dass im Gegensatz zu Gott menschliche Wesen dazu neigen, über die Linien hinaus zu malen – und man deshalb am besten das Malbuch mit Benzin übergießen und anzünden sollte. In seinen Augen war Zeit nichts anderes als ein kurzer, matschiger Pfad vom Kreidemalkasten Evas bis zum Feuerzeug des Messias.
In diesem Augenblick schlug Salome sittsam die Augen nieder und schwenkte ihre wohlgeformten jungen Hüften zum Rhythmus des Tamburins. Eine Welle vibrierender Ekstase schwappte über die Tische. Zwei zypriotische Volkswirtschaftler gerieten auf ihren Barhockern ins Trudeln. Die Welle erfasste Ellen Cherry, als sie mit einem vollbeladenen Tablett aus der Küche kam. Nach außen hin achtete sie kaum darauf, doch die Umrisse der Ewigkeit, die die mitschwingenden Vektoren nachzeichneten, musste eine verirrte geistige Sequenz wieder an ihren ursprünglichen Platz versetzt haben, denn plötzlich ertappte sie sich bei dem Gedanken, dass
all die Leute, die durchs Leben stolpern und darauf warten, dass Jesus mit dem Fallschirm abspringt und die Party beendet, möglicherweise enttäuscht werden
. Sie persönlich konnte sich keine Zukunft vorstellen, wie weit sie auch entfernt sein mochte, in der nicht irgendwo auf
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