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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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wissen Sie das?» – «Nehmen wir mal an, ich wär ein verdammter Kriminaler», sagte Shaftoe, trank sein Bier aus und ging.
    Binnen einer Stunde waren die letzten Gläser gespült, die Lichter gelöscht, und Abu machte sich auf den Heimweg. «Mr. Cohen wird sich die Bücher ansehen», sagte er beim Hinausgehen zum Wachmann. «Er bleibt noch ein Stündchen im Büro.» – «Und die Kellnerin?», fragte der Mann. Abu blieb stehen. «Ach, die Kellnerin ist noch da?» Er zögerte. «Kein Problem», sagte er schließlich und stieg, sich den kirschroten Karottenzinken reibend, in den wartenden Wagen.
    Dreißig Minuten später, etwa zu der Zeit, als Ultima Sommervell ihren frisch gepackten Koffer zuschnappen ließ, etwa zu der Zeit, als Reverend Buddy Winkler ein barbecuefleckiges Armani-Jackett in seine neue Tasche legte, etwa zu der Zeit, als Turn Around Norman begann, sich im Schlaf umzudrehen – eine Bewegung, die begreiflicherweise die halbe Nacht dauern konnte –, ging der Wachmann ums Haus herum in den Innenhof und horchte an der Wand. Er war nicht wirklich überrascht zu hören, dass Mr. Cohen und die Kellnerin den Delfin ritten; vor seinem geistigen Auge sah er die beiden ineinander verschlungen auf der Bürocouch liegen, wenngleich er sich nicht vorstellen konnte, dass Ellen Cherry nackt war bis auf ein Paar brandneue Stöckelschuhe im Leopardenlook mit smaragdgrünen Schnallen, während der Karton und das Papier, in die sie verpackt gewesen waren, zusammen mit den Kleidern überall auf dem Fußboden verstreut herumlagen. Der Wachmann hatte das übliche Ächzen und Stöhnen des fleischlichen Pingpongs, die unterdrückten Schluchzer und das erregte Murmeln erwartet, die im Aids-gepeinigten Amerika noch immer Lingua franca waren, aber er war nicht vorbereitet auf das, was er als Nächstes hörte, eine Laudatio, bei der er sich schleunigst bekreuzigte und Gott für die imaginäre Sünde des Lauschens um Vergebung bat.
    «Jezabel. Jezabel. Geschminkte Königin von Israel. Ich preise dich, o Königin von Israel. Hure des Goldenen Kalbes. Gespielin des Baal. Jezabel. Schlampe von Samaria. Unsere Königin, von den Hunden gefressen. Die Wasser Israels durchströmen dich. Jezabel. Meine Königin. Deren Tochter in Jerusalem herrscht. Aus deren Schoß das Haus David hervorging. Hmm. Jezabel. Priesterin der Unzucht. Hmmm. Pik-Dame. Königin der Flittchen. O Jezabel, du bist meine Königin, ich frohlocke in dir und preise deine Sandalen.»
    Und so weiter und so fort, bis der Wachmann nach dem Kruzifix auf seiner Brust griff und auf die Straße floh.
    Und so weiter und so fort, bis es zwei Blocks entfernt Conch Shell und Painted Stick an ihr rostiges Fenstergitter zog, als spürten sie eine magische Anziehungskraft in der Luft.
    Und so weiter und so fort, bis Ellen Cherrys neue Schuhe in den Fluss des Lebens tauchten, voll rein in den blinden Kaulquappen-Boogie-Woogie.

Der siebte Schleier
    In der ewigen Bestenliste der Erfindungen steht der Spiegel an überraschend hoher Stelle. Was die Erfindung selbst angeht, so erforderte die Genesis des Spiegels nicht gerade eine Wagenladung Phantasie, denn das Spiegelglas war im Grunde nichts anderes als die verfeinerte und tragbar gemachte Fortentwicklung einer Seeoberfläche. Da der Spiegel aber von den drei Milliarden Seelen, die unsere irdene Kugel bewohnen, so häufig und erwartungsvoll konsultiert wird, fast wie eine mächtige Gottheit, die eine Gunst erweisen, sie aber auch verweigern kann; da er im Gegensatz zu den meisten anderen Dingen auf der Welt das Licht nicht absorbiert, sondern zurückwirft (er hält es fest, verknackt es jedoch nicht, sondern setzt es gleichsam auf Treu und Glauben wieder auf freien Fuß); da er uns außerdem, wie kurz und oberflächlich auch immer, die individuelle Identität zurückgibt, die wir sonst so gern der Autorität des Staates und seiner strengen Götter ausliefern; da er stets dafür sorgt, dass jemand da ist, den wir lieben, und jemand, den wir hassen können – darum wird der Spiegel stets höher eingestuft als die Thermosflasche, allerdings nicht ganz so hoch wie der Zimmerservice.
    «Mir ist aufgefallen, Sir», sagte Can o’ Beans zum Spiegel, «dass der Einfallswinkel stets gleich dem Ausfallswinkel ist, aber
warum
? Können Sie mir das erklären?»
    «?nerälkre sad rim …»
    «Und noch etwas, Mr. Mirror», fuhr die Dose fort. «Sind Sie nicht, da Sie Chaos und Instabilität ebenso objektiv reflektieren wie Ordnung, da

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