Salomes siebter Schleier (German Edition)
errichten, ein Stück Plaza-Plopp, wie wir hier in New York sagen würden, das auf einen kleinen Platz geklotzt werden soll, unweit der Altstadt, dieser lärmenden, stinkenden Gegend, wo laut Mr. Petway selbst Houdini klaustrophobische Anfälle bekommen hätte.
Ich
habe jedenfalls welche bekommen. Gleich vor dem Jaffa-Tor gibt es ein altes jüdisches Viertel, das im Krieg 1967 schwer mitgenommen wurde. Heute ist man dabei, es wieder aufzubauen und bewohnbar zu machen, eher bescheiden, was die Architektur angeht, dafür umso ethnozentrischer im Stil. Die Projektleiter haben Zif beauftragt, eine Skulptur zu schaffen, die das Wesen des Landes widerspiegelt, des alten wie des neuen, des säkularen wie des religiösen. Finanziert wird das Ganze von ein paar reichen Amerikanern, die es genau so haben wollten. Nun ja, Zif zerbrach sich den Kopf, um irgendetwas auf die Beine zu stellen, und seine Mitbewohner im Kibbuz unterbreiteten ihm jeden Tag neue Vorschläge, bis eines Tages unser Mr. Petway mit einer ureigenen Idee aufkreuzte. Er schaffte es, den ganzen Kibbuz ‹mit Kind und Kegel›, wie er sich ausdrückte, auf die Barrikaden zu bringen, nur Amos Zif nicht, der voll darauf abfuhr, was ja auch kein Wunder ist, denn Boomer Petway ist ein amerikanisches Genie, und niemand in ganz Israel macht Kunst, für die es auch nur die Straße zu überqueren lohnte, vom Ozean ganz zu schweigen. Israel ist ein Dritte-Welt-Land, wenn ich so sagen darf, doch zu gebildet, um auf die unschuldige Art bezaubernd zu sein. Es gibt nichts Schlimmeres auf der Welt als Provinzintellektuelle, jedenfalls in der Kunst.»
«Ultima, glauben Sie wirklich, dass Boomer ein Genie ist?»
«Sie etwa nicht?»
Ellen Cherry schüttelte den Kopf. «Nein,
idiot savant
würde ich eher gelten lassen.»
Ultima gab ein näselndes britisches Gelächter von sich. «Unter uns gesagt, ich fürchte, Sie haben recht. Aber erzählen Sie bloß niemandem, dass ich das gesagt habe. Auf jeden Fall hat er, wie Sie vielleicht wissen, mit Zif den Kibbuz verlassen, und seitdem arbeiten die beiden zusammen an der Skulptur. Sie soll im Januar enthüllt werden, und die beiden haben beschlossen, den Entwurf bis dahin geheim zu halten, was ziemlich clever war, wenn Sie mich fragen. Mir allerdings haben sie eine Vorschau auf die eine Hälfte gestattet.»
«Welche Hälfte?»
«Die untere natürlich. Den Sockel, um genau zu sein.»
«Und?»
«Ach, es war nichts, was einen vom Hocker reißen würde. Da ist ein großer Haufen Steine, was ich ganz passend finde, und aus dem Haufen erhebt sich eine aufrechtstehende, dreidimensionale Landkarte von Palästina, dem alten Palästina aus biblischen Zeiten, mit Städten, die verschwunden sind, und Grenzen, die nicht länger existieren. Die Karte besteht aus gitterartig miteinander verschweißten Eisenstangen. Sie ist groß, vielleicht sechs Meter hoch, und die beiden haben durchblicken lassen, dass die Statue, die darauf stehen soll, noch mal so groß sein soll.»
«Sechs Meter. Wie viel ist das in Fuß?»
Ultima betrachtete sie wie ein Pariser einen amerikanischen Touristen, der
croissant
ausspricht, als sei das Frühstückshörnchen eine reizbare Anverwandte. «Meine Liebe», schnurrte sie, «ein Meter entspricht drei Fuß und drei Inches. Ich nehme an, zusammenrechnen können Sie selber.»
Tölenfresse!
, dachte Ellen Cherry, aber sie hielt sich zurück. «Und was ist mit dieser Statue? Haben Sie Hinweise darauf, um was es geht?»
«Nicht mal die amerikanischen Geldgeber haben bisher eine Skizze oder ein Modell gesehen. Ich hoffe nur, dass es nichts Unanständiges oder Absurdes ist. Die Leute haben nicht einen Funken Humor in diesem Teil der Welt. Leidenschaft ja. Humor nein. Jedenfalls, die gute Nachricht ist, dass unser gemeinsamer Freund sich ein bisschen freinehmen und mir ein paar Sachen für meine Gruppenausstellung im Herbst machen wird.»
Ellen Cherry deutete auf die Bilder unter ihnen. «Werden die Künstler da auch in dieser Ausstellung vertreten sein?»
«Viele davon, ja. Habe ich da eben einen Anflug von Missbilligung gehört?»
«Ich verstehe es wohl einfach nicht. Die Hälfte davon ist geklaut und die andere Hälfte einfach nur blöd.»
«Das verstehen Sie nicht? Meine Liebe, Sie sind viel zu jung, um dermaßen am Zeitgeist vorbeizuleben. Originalität ist ein Mythos, der von den Naiven, den Romantikern, den Skrupellosen aufrechterhalten wird. Es hat doch seit prähistorischer Zeit keine wirklich originelle
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