Salomes siebter Schleier (German Edition)
weite Verbreitung des Hässlichen im sozialen Bereich machte das Engagement für äußerliche Schönheit umso wichtiger. Und allein die Präsenz von überbreiten Wohnmobilen, Filzstiftgraffiti oder weichen orangefarbenen Teppichen hatte den Effekt, dass sie Übel wie Armut, Verbrechen, Unterdrückung, Umweltverschmutzung und Kindsmissbrauch halbwegs erträglich erscheinen ließen. In gewissem Sinn war Schönheit so etwas wie das Äußerste an Protest und, weil sie im Allgemeinen von größerer Dauer war als ein Orgasmus, die letzte Zuflucht. Die Venus von Milo schleuderte allem Übel ein «Nein!» entgegen, während die Synthetik-Stretchhose oder der Makramee-Blumenhänger ihm geradezu um den Hals fielen. Hässliche Schlafzimmer gebaren hässliche Gewohnheiten. Natürlich verlangte man von der Schönheit nicht, dass sie eine soziale Funktion ausübte. Das war das Gute daran. Mehr noch als die Tugend war sie sich selbst genug. Sicher, es gab Leute, die behaupteten, die Schönheit liege im Auge des Betrachters, und es gab Betrachter, die glaubten, ihr Bild sei der fette Auswurf eines Kotzbrockens, aber diese Typen konnten sie am Arsch lecken. Und den fand schließlich
jeder
schön.
I & I
Nachbar gegen Nachbar, Landsmann gegen Landsmann, Bruder gegen Bruder, Chef gegen Untergebenen, Ehemann gegen Ehefrau. Wenn die Zustände im Isaac & Ishmael’s nach Bürgerkrieg rochen, dann biss die Maus da keinen Faden ab, denn so war es eben, als das Jahr in seinem Sonnenscharnier von alt nach neu umschwang.
Fort Sumter verwandelte sich in eine nicht besonders noble Cocktailbar, die Garnison in eine bunte Mischung von Amerikanern und Ausländern, die vor der Glotze hockten, und der Schuss, der alles in Gang setzte, stammte nicht aus einer Kanone, sondern von der Stoppuhr des Zeitnehmers. Es geschah an einem Wochenende, an dem Nachmittag, als eine der Footballmannschaften von New York – ob die Jets oder die Giants, ist nicht weiter von Bedeutung – ihr Liga-Playoff-Spiel gewann (das erste Mal seit 1986 ) und sich damit für das Endspiel um die Super Bowl qualifiziert hatte.
«New York ist dabei!», jubelte ein Ortsansässiger. «Jetzt
müssen
wir das Spiel sehen, bei Gott!»
«Genau! Salome muss ihre Schleier ein andermal fallen lassen.»
«Ja, aber sie wird ihren Zeitplan nicht ändern, das steht fest. Deshalb solltet ihr euch das Spiel vielleicht lieber woanders ansehen.»
«Woanders ansehen?», wiederholte der Typ. Er war fassungslos.
«Vielleicht sollte sie lieber ihre billige Stripteasenummer woandershin verlegen.»
«Sie tanzt hier, nirgendwo anders.»
«Na schön, und ich guck mir das Spiel hier an, nirgendwo anders.»
«Und jetzt ist es auf einmal ’ne ‹billige Stripteasenummer›, wie?»
«Ihr Typen habt aber auch immer nur Sex im Kopf!»
«Und ihr, meine ’erren, ’abt Football in die Kopf.»
«Nicht Football, verdammt! Die Super Bowl!»
«Und nischt Sex, sondern die Tanz von die sieben Schleier!»
«Ach komm, Junge, werd doch vernünftig! Die Super Bowl ist geradezu der Inbegriff von Amerika. Sie vereint das ganze Land, sie ist das, was uns alle hier geprägt hat. Wenn du sie verpasst, hast du bis heute nicht geschnallt, was du hier verloren hast.»
«Ha! Glauben Sie etwa, wir sind hier, um reiche Gorillas Schulhofspiele austragen zu sehen?»
«Nein, ich nehme an, ihr seid hier, um zuzusehen, wie eine halbwüchsige Stripperin mit dem Tamburin herumfuchtelt.»
«’irnwichser!»
«Dein Englisch wird ja immer besser, Franzmann.»
«Ich habe immer geglaubt, dies sei eine Demokratie», warf Dr. Farouk ein.
«Eine gottverdammte Demokratie, genau das isses!»
«Dann müssen wir abstimmen.»
In diesem Augenblick kamen Spike und Abu herein. «Okay», sagte Spike. «Okay, wir nu machen eine Abstimmung.»
«Aber nicht heute», erklärte Abu. «Wir brauchen Zeit, um uns die Sache durch den Kopf gehen zu lassen, das Für und Wider gegeneinander abzuwägen. Denkt darüber nach, debattiert, und in zwei Wochen stimmt ihr ab. Mr. Cohen und ich bleiben neutral. Wir zählen die Stimmen aus und ermitteln den Sieger.»
Alle kamen überein, dass dies eine faire Lösung war. Alle bis auf einen. «Das haut nie im Leben hin. Man kann sich entscheiden, ob man Geld für Schulen zur Verfügung stellen will oder nicht, ob Jesse Jackson oder irgendein Dummschwätzer von Republikaner Präsident sein soll, aber kein Mann, der wirklich ein Mann ist, kann sich zwischen dem Tanz der sieben Schleier und der Super
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