Salon der Lüste - 3
Sie sehen, ich brauche durchaus Ihre Hilfe, um den Schurken zu fassen.«
Ihre Hilfe.
Ein heiseres Lachen entfuhr ihm, als er seine Hand zurückzog. »Ein wohlgemeinter Rat, Miss Dearing: Sehen Sie einen Mann nie mit solch unverhohlener Bewunderung an, solange Sie. mit ihm allein sind. Er könnte versucht sein, Ihre Unschuld auszunutzen.«
Ivy wurde schlagartig eiskalt. Sie war ihm dankbar, weil er ihr zugestand, dass sie sehr wohl helfen konnte, aber sie bewunderte ihn doch nicht! Alles, was sie wollte, war, Goldies und Clementines Mörder zu finden.
»Vielleicht sind Sie es, der besser achtgeben sollte, Mr. Saint. Einer Frau, die Sie offensichtlich beißen oder ins Bett zu locken versuchen, sollten Sie nicht erklären, Sie glaubten, von ihr bewundert zu werden, nachdem Sie sie keine vierundzwanzig Stunden kennen! «
Saint trat einen Schritt zurück. Zweifellos hatten ihre Worte - und die Kälte, mit der sie geäußert wurden - ihn schockiert.
»Meine Liebe, falls ich den Eindruck erweckt haben sollte … «
»Nicht!«, unterbrach sie ihn. »Ich habe mein ganzes Leben in einem Bordell verbracht. Ich weiß, wie das Spiel geht. Und ich würde mich sogar geschmeichelt fühlen, wüsste ich nicht, dass Sie dieselben Worte schon zu tausend und mehr anderen Frauen gesagt haben, die Sie mit Ihrem Charme verführen wollten. «
Er sah sie mit großen Augen an, die perfekten Lippen leicht geöffnet. In diesem Moment war sie sicher, dass noch keine Frau so mit ihm geredet hatte.
»Ich lasse Sie nun allein«, tat sie kund. »Ich weiß, dass Sie heute Abend viel zu tun haben. Bei Ihrer Rückkehr von Scotland Yard werde ich in der Bibliothek auf Sie warten.«
Er schluckte. »Schön.«
Ivy gestattete sich ein winziges selbstzufriedenes Lächeln, als sie sich abwandte und die Treppe wieder hinauf ging. Auf halbem Weg blieb sie stehen und sah sich um.
Saint war bereits fast an der Tür.
»Mr. Saint.«
Er blickte zu ihr hinauf. Ihr war bewusst, dass er sie besser erkennen konnte als sie ihn, und sie beneidete ihn darum, denn zu gern hätte sie seinen Gesichtsausdruck gesehen.
»Ja, Miss Dearing?«
»In Zukunft dürfen Sie davon absehen, sich um meine Tugend zu sorgen.«
»Ach ja?« Bildete sie es sich ein, oder klang seine Stimme ein wenig brüchig? »Und warum darf ich das?«
Sie grinste. »Ich besitze keine.«
Kapitel 3
Noch keine Frau hatte ihn je herausgefordert, sie zu verführen. Und das Wort
»versuchen« war in diesem Zusammenhang erst recht keiner über die Lippen gekommen.
Merde, der Mann, der Ivy von ihrer Tugend befreit hatte, konnte sich verdammt glücklich schätzen!
Falls sie ihn für seine Bemerkungen abstrafen wollte, war es ihr sehr gut gelungen.
Ihre Worte hatten ihm überdeutlich enthüllt, zu welch einem Esel er sich vor ihr gemacht hatte.
Saint hielt sich keineswegs für einen sonderlich intelligenten Mann. Vielmehr neigte er zu heftigen Anfällen von Dummheit, wenn es um Frauen ging. Aber er war klug genug zu wissen, wann er sich von einer fernhalten sollte.
Von Ivy Dearing sollte er sich unbedingt fernhalten. Ganz gleich, wie reizvoll ihr Äußeres sein mochte - sie würde ihm nichts als Schwierigkeiten einbringen, und das nicht bloß, weil sie Maddies Tochter war. Sie war genau die Art Frau, die er anbetete; das allein machte ihn umso entschlossener, Distanz zu wahren.
Zurückhaltung war noch nie seine Stärke gewesen. Er war ein unverbesserlicher Filou, ein Wüstling. In den Jahrhunderten nach dem Tod seiner frommen Gemahlin und seiner eigenen »Wiedergeburt« in die Unsterblichkeit hatte er Tausende von Frauen umworben und mit ihnen das Lager geteilt, bis …
Nun, bis er Marta begegnete. Nachdem sie starb, stürzte er sich umso skrupelloser in sein altes Leben zurück, verführte schamlos jede Frau, die er begehrte. Aber das war vorbei. Diesmal würde er es nicht tun.
Als er leise vom Himmel auf das Dach unter ihm glitt, schob er alle Gedanken an Ivy Dearing fort, um sich der Aufgabe zuzuwenden, die er übernommen hatte.
In London einen Mörder finden zu wollen war ein recht kühnes Unterfangen. Im Laufe der letzten Jahrhunderte war die Stadt gewachsen, wie es Städte nun einmal an sich haben. Doch in jüngster Zeit kamen mehr und mehr Landbewohner her, die in den Fabriken Arbeit suchten. Die Industrialisierung überwucherte England wie ein bösartiges Geschwür. Die Saison war längst vorbei, doch diejenigen, die das ganze Jahr über in London wohnten, bildeten nur eine
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