Salon der Lüste - 3
meisten würden deuten, dass es das Herz oder etwas ähnlich Mondänes ist, aber eine Frau besitzt etwas weit Nobleres - jenes Organ, das Leben nährt.«
Was die gefüllten Gläser im Keller des Hauses erklärte, in dem sie sich gewöhnlich trafen. »Nun, Sie haben sich eindeutig verlässlicher gezeigt als er.«
Der junge lächelte abfällig. »Und dennoch vergleichen sie mich mit dem Ripper.«
»Wie sie Sie nennen, ist gleich. Hauptsache, Sie sind erfolgreich.« Der letzte Versuch war kläglich gescheitert, worauf der Schaden aufwendig begrenzt werden musste. Ein halbes Dutzend falscher Fährten hatten sie auslegen müssen, damit die Polizei nicht hinter die Wahrheit kam.
Der junge hob seine Tasse. »Ich werde erfolgreich sein, seien Sie es versichert!«
»Und was ist mit der letzten Opfergabe? Konnten Sie schon ihr Vertrauen gewinnen?«
»Ja. Ich verbringe ziemlich viel Zeit im Maison Rouge.«
»Und sie ist geeignet?« So viele Tode, aber am Ende wären sie es wert.
»Sie ist in jeder Hinsicht ideal, genau wie der Orden annahm. Das gefallene Kind einer gefallenen Frau. Ihr Blut wird die Prophezeiung wahr machen. Aber das wissen Sie ja bereits.«
Ja, das wusste der Baron. »Gut.« Er wollte weder mehr über das Mädchen wissen, noch fragte er seinen Gefährten, was genau er plante.
Das wollte er auf keinen Fall wissen.
Kapitel 5
In Maison Rouge kehrte der Alltag wieder ein, und so ungern Ivy es zugab, hatte Samt recht gehabt, als er sagte,
sie sollten wieder öffnen. Während der letzten zwei Tage hatte sich die Stimmung ihrer Mutter, wie auch die aller anderen Bewohnerinnen, merklich gebessert. Die Ablenkung von den furchtbaren Tragödien tat ihnen allen gut.
Was Ivy betraf, so hatte sie mit dem Geschäftlichen im Haus nichts zu tun, es sei denn, ihre Mutter brauchte sie; also stürzte sie sich wieder ganz in ihre Photographie, um ihren Kummer zu verdrängen.
Sie hatte sich in dem Verwalter-Cottage hinter dem Haus ein Atelier eingerichtet. Es war nicht groß, verfügte jedoch über ein abgetrenntes Zimmer, das sie als Dunkelkammer nutzte, sowie eine eigene Toilette, so dass sie nicht jedes Mal ins Haupthaus hinüberlaufen musste, wenn die Natur rief.
Dies war ihr ganz privates Reich. Hier konnte sie den Lärm und die Betriebsamkeit des Hauses hinter sich lassen. Abseits des regen Treibens im Maison Rouge durfte sie sich in Ruhe ihrer Kunst widmen.
Für gewöhnlich arbeitete sie tagsüber, denn dann hatten die Mädchen Zeit, ihr Modell zu stehen. Die heutige Sitzung hingegen fand am späten Abend statt -
nachdem das Maison Rouge geschlossen hatte und alle oder zumindest die meisten Bewohnerinnen schliefen. Saint wollte nämlich erst für sie posieren, wenn alle im Haus sicher in ihren Betten lagen.
Seit der Wiedereröffnung waren zwei Tage ohne besondere Vorkommnisse vergangen. Niemand berichtete von irgendwelchen Problemen mit Gästen oder Außenstehenden. Trotzdem wachte Saint über die Abende wie eine Art Schutzengel.
Er war sogar so weit gegangen, zusätzliche Diener für den Club anzuheuern: Männer, denen er zutraute, die Mädchen wie die Gäste zu beschützen.
Ivy schätzte seine Bemühungen, nur leider war er der Identität des Mörders noch keinen Schritt näher. Bisher wussten sie nichts weiter, als dass der Unmensch sich mit den Abläufen im Maison Rouge bestens auskannte.
Aber heute Nacht würde sie nicht an den Mörder denken. Ohnehin raubte ihre Beschäftigung mit ihm ihr schon den Schlaf und dämpfte ihre Laune. Ihre Mutter glaubte fest, dass sie - oder vielmehr Saint - für Gerechtigkeit sorgen würden. Ivy gab sich redlich Mühe, es ebenfalls zu glauben.
Es war nur so entsetzlich schwierig, sich darauf zu verlassen, dass jemand anders tat, was man unbedingt wollte vor allem auf Saint, der sich in der Vergangenheit nie als besonders vertrauenswürdig erwiesen hatte. Charmant, ja, aber so verlässlich wie der Wind.
Sie musste sich zerstreuen, deshalb würde sie heute Nacht Saint photographieren, statt abermals über allen Einzelheiten der Morde zu grübeln. Und sie würde herausfinden, was für ein Mann er war.
Das Klopfen an der Tür kündigte seine Ankunft an. Sogleich bekam Ivy Herzklopfen.
Hatte er sie erschreckt, oder war es die freudige Erregung, die ihren Puls schneller gehen ließ?
» Herein! «, rief sie, während sie ihre Kamera fest auf dem Stativ installierte.
Wie die Nacht selbst trat er ein: dunkel, leuchtend und unvorhersehbar. Er trug noch seine
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