Salon der Lüste - 3
jedoch verursachte er lediglich ein heftiges Herzklopfen. »Jetzt bist du albern.«
»Wie bitte?«
»Selbstverständlich war es kein Spiel. Es ist kein Spiel. Das wollte ich dir vom ersten Moment an sagen, in dem ich dich sah. Bist du nun zufrieden, da ich es zugegeben habe?«
Nein, sie war nicht zufrieden, sondern verblüfft. »Warum hast du mich dann abgewiesen?«
»Weil … « Er blinzelte. »Ich kann mich nicht auf die Suche nach dem Mörder konzentrieren, wenn ich mit dir befasst bin.«
Fast erstickte sie an ihrem verbitterten Lachen. »Sollte das ein Kompliment sein?«
Er blickte auf den angestoßenen Karton. »Diese Unterhaltung ist beendet.«
Mitnichten war sie das! »Du hast schon Mädchen hier im Haus gehabt - warum nicht mich?«
»Du bist keines der >Mädchen<«, antwortete er hörbar angestrengt. »Außerdem habe ich deiner Mutter versprochen, den Mörder zu finden, und ich werde mich durch nichts und niemanden - nicht einmal durch dich überaus entzückendes Geschöpf - von meinem Versprechen ablenken lassen.«
Dem konnte sie nicht widersprechen, also ließ sie es bleiben. Er hatte recht, und zu wissen, dass er sie durchaus begehrte, machte den Schmerz ein wenig erträglicher.
»Ich respektiere dich«, sagte sie, so ernst sie konnte. Ihn respektieren, ja. Sich seiner Einsicht fügen? Nicht unbedingt. Aber zuerst mussten sie den Mörder finden, und das wiederum bedeutete, dass sie eng zusammenarbeiten würden.
Sehr eng. Und selbst wenn Ivy nichts täte, was die Suche nach dem Monstrum behinderte, das ihre Freundinnen ermordet hatte, sprach doch nichts gegen ein wenig Verführung, nach Ladenschluss sozusagen. Zweifellos würde sie die Erniedrigung par excellence riskieren, aber das war es wert. Sie begehrte ihn so lange, dass sie um keinen Preis bereuen wollte, es nicht versucht zu haben. Nicht, wo sie den eklatanten Beweis vor sich sah, wie kurz das Leben sein konnte.
Saint verengte die dunklen Augen, so dass seine Wimpern wie ein dichter schwarzer Vorhang aussahen, als er sie von der anderen Seite des Zimmers musterte. »Dann reden wir nicht mehr davon?«
Brav schüttelte Ivy den Kopf, musste sich allerdings auf die Lippe beißen, um nicht zu grinsen. Dies war die erste echte Freude, der erste Lebensfunke, den sie seit der Ermordung von Clemmy und Goldie empfand. »Reden wir nicht mehr.«
Von jetzt ab würden ohnehin Taten gefragt sein, keine Worte.
»Schön.« Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung, was wiederum Ivy das Herz erwärmte. »Ich brauche eine Gästellste von der Woche deiner Ausstellung. Ich vermute, deine Mutter führt genau Buch darüber, wann welche Kunden kommen und gehen?«
Ivy nickte. »Codiert, ja, und ich verstehe die Kürzel nicht.«
»Macht nichts. Ich werde sie verstehen.«
»Ach ja?«
Er grinste, was eine so unerwartete und liebenswerte Geste war, dass sich unweigerlich Körperteile von Ivy unangenehm köstlich anspannten. »Was glaubst du, wer sie den Code lehrte?«
Sie hätte sein Lächeln erwidert, wäre sie dazu in der Lage gewesen. Aber im Moment wurde sie von einem höchst sonderbaren Gefühl überflutet, als hätte jemand einen Schalter in ihr umgedreht, der sie wütend, verletzt und traurig zugleich machte.
Das war Eifersucht.
Sie war eifersüchtig auf ihre eigene Mutter! Und plötzlich fragte sie sich, wie »nahe«
ihre Mutter und Saint sich tatsächlich standen.
Das Grammophon in der Ecke spielte eine lebhafte Auswahl aus »Ragtime«. Madeline hatte sie von einer Freundin in Amerika geschickt bekommen, wo die sehr bewegte Klaviermusik zurzeit sehr beliebt war.
Die Aufnahmen waren nicht so klar, dass man glauben könnte, es würde wirklich ein Orchester spielen, aber Saint war dennoch überrascht, wie es jemandem gelang, Musik in winzigen Rillen auf einer platten Scheibe einzufangen. Mit einem Drink in der Hand stand er in einer Zimmerecke und tippte unwillkürlich den Takt mit dem Fuß, während die Maison-Rouge-Mädchen mit ihren Gästen tanzten.
Man hatte ihn gebeten, beim Tanz mitzumachen, was er ablehnte - nicht weil er fürchtete, eine komische Figur abzugeben, oder es ihm keinen Spaß bereiten könnte.
Nein, er sollte auf Abstand stehen und die Szenerie beobachten. Immerhin galt es, den Mörder unter ihnen auszumachen.
Was er dabei gar nicht gebrauchen konnte, war Ivy, die mit einem jungen Mann flirtete, der sie eindeutig anbetete.
»Sein Name ist Justin Fontaine«, vernahm er Madelines Stimme neben
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