Salon der Lüste - 3
rumänische Adlige, die ich vor Jahren kennenlernte. Sie war unglücklich verheiratet, und ich war hingerissen von ihrem Esprit und ihrer Schönheit. Mir war gleich, dass sie das Kind ihres Mannes unter dem Herzen trug. Ich wollte einfach nur mit ihr zusammen sein.«
»Was ist passiert?«
Er wandte den Blick ab, während er im Geiste Jahre zurückschaute, bis er das Bild fand, das er suchte. Es war, als würde er eine von Ivys Photographien betrachten, so entrückt, wie ihm alles erschien. »Sie starb bei der Geburt. Ich habe versucht, sie umzuwandeln, doch es war zu spät. Sie wollte warten, bis das Baby da war, weil wir nicht wussten, was die Verwandlung mit dem Kind anstellen würde. «
»Hat es überlebt?«
Saint schüttelte den Kopf. »Nein, das Baby starb ebenfalls.« Der alte Schmerz war zurück, nur eher als eine Erinnerung, nicht als ein echtes Gefühl. Die Wunde heilte, wie sie alle heilten, auch wenn die Narbe blieb.
»Glaubst du noch an die Liebe?«
»Selbstverständlich.« Er glaubte an fast nichts anderes, verdammt! »Du nicht?«
Ivy überraschte ihn, indem sie verneinte. »Ich glaube, Liebe ist bloß eine lustbedingte Euphorie. Sobald die Lust befriedigt wurde, verblassen die guten Gefühle, die mit ihr einhergingen.«
»Für einen so jungen Menschen ist das eine recht verbitterte Ansicht.«
»Ich bin in einem Bordell aufgewachsen, Saint. Ich hörte Männer ihre Liebe erklären, wenn sie mit einem der Mädchen im Bett waren, um sie wie Dreck zu behandeln, sobald sie fertig waren. Ich sah, was blindes Vertrauen in die Liebe meiner Mutter antat. Mein Vater gaukelte ihr tiefe bedingungslose Zuneigung vor, bis sie ihm sagte, dass sie schwanger war. Dann warf er sie in die Gosse. Sie war seine Geliebte, musst du wissen.«
Plötzlich war er sehr traurig wegen des armen kleinen Mädchens. »Ich weiß.«
»Ach ja, natürlich. Du hast sie gefunden und hergebracht.«
»Ja.«
»Danke.«
Er antwortete nichts, und erst recht wollte er nicht die Verantwortung für ihr Leben übernehmen.
Ivy fuhr fort: »Liebe ist nicht real. Freundschaft ja, Lust auch, aber die Vorstellung, ohne jemand anders nicht leben zu können, ist blanke Idiotie.« Sie begegnete seinem Blick. »Sieh mich nicht so an! «
»Wie?«
»Als würdest du mich bedauern. Glaub mir, auf diese Weise bin’ ich besser dran! «
Saint zog nur eine Braue hoch. Eines Tages würde jemand kommen und Ivy lehren, was es hieß, sich zu verlieben. Bei diesem Gedanken wurde ihm bang ums Herz, denn er wünschte, er wäre dieser Mann.
Kapitel 8
Glaubst du an Liebe?« Ivy, die in den Polstersitzen einer hübschen offenen Kutsche saß, wandte den Blick von den Wattewolken ab und dem Mann neben sich zu.
Justins Augen waren fast von derselben Farbe wie der Himmel hoch über ihnen.
»Natürlich. Du nicht?«
Allmählich fing sie an, zu denken, dass mit ihr etwas nicht stimmte. »Ich bin nicht sicher.« Dann gewann die Ehrlichkeit. »Nein, eigentlich nicht.«
Lachend dirigierte Justin die beiden Rappen an den Wegesrand. Sie fuhren durch den Hyde Park und genossen den herrlichen Spätsommertag.
Nun ja, sie genossen ihn so sehr, wie es die beiden Männer von Saint zuließen, die ihnen in diskretem Abstand zu Pferde folgten.
Sobald das Gespann stand, drehte Justin sich auf seinem Sitz zu ihr. Dabei streckte er seinen Arm auf der Rücklehne vor, so dass seine kräftigen sonnengebräunten Finger beinahe ihren Schulterumhang streiften. Sie könnte sich zurücklehnen, auf dem glatten Leder ein wenig näher rücken und ihn anspornen, den Arm um sie zu legen. Doch das tat sie nicht.
Sie konnte an nichts anderes als Saints Hände denken wie lang und stark sie waren.
Die kleine Tätowierung auf dem linken Handrücken war, wie er ihr erzählt hatte, ein chinesisches Glückssymbol und der beste Freund des Diebes.
Zudem hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie überhaupt an etwas anderes dachte als daran, das Monstrum zu finden, das ihre Freundinnen ermordet hatte. Es kam ihr nicht zu, mit einem gutaussehenden Mann auszufahren und dabei an einen anderen zu denken, während Clementine, Goldie und Priscilla ungerächt blieben.
»Du glaubst gar nicht an die Liebe?« Justin klang erstaunt.
»Ich glaube an die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Ich glaube an die tiefe Zuneigung, die ein Familienmitglied für ein anderes hegen kann, oder an die zwischen Freunden. Aber die Art Liebe, von der Poeten unentwegt schwärmen? Nein, ich glaube nicht, dass sie real
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