Salon der Lüste - 3
ist.«
»Das tust du nur nicht, weil du sie noch nicht selbst erfahren hast.« Für ihren Geschmack hörte er sich etwas zu selbstgewiss an.
»Ich bin weder ein Kind noch eine Närrin, Justin. Du brauchst nicht von oben herab mit mir zu reden. «
Er lachte. »Ich habe lediglich eine Tatsache festgestellt. Wie kannst du an etwas glauben, dass du nie gesehen hast? Nimm es mir nicht übel, meine Liebe, aber ein Bordell ist kaum der Ort, an dem man wahre Liebe kennenlernt.«
»Ich sah, was Liebe meiner Mutter antat.«
»Du sahst, was es deiner Mutter antat, in den falschen Mann verliebt zu sein.«
Ivy schmollte. »Du hörst dich schon genauso an wie Saint.« In dem Augenblick, in dem sie die Worte aussprach, wurde ihr bewusst, dass es ein Fehler war, Samt zu erwähnen.
Konnte der Mann sie denn nie in Frieden lassen? War ihr nicht einmal eine Stunde unbeschwerten Genusses ohne ihn vergönnt?
»Ah, der mysteriöse Mr. Saint!« Justins wohlgeformte Lippen bogen sich zu einem Lächeln. »Wie gelang es dir, ihm zu entkommen, ohne dass er androhte, zwischen uns beiden in der Kutsche zu sitzen?«
Bei dieser Vorstellung musste Ivy lachen. »Glück gehabt.« Das Glück, das mit Sonne einherging, die hoch am Himmel stand.
»Er interessiert sich für dich, weißt du?«
»Du irrst.«
Justin fixierte sie mit seinem strahlenden himmelblauen Blick. »Ihm gefällt nicht, dass du mit mir zusammen bist.«
»Er hat mir gesagt, es wäre ihm gleich, würden wir miteinander ins Bett gehen, solange wir es im Maison Rouge tun, wo er mich beschützen kann. Klingt das für dich eifersüchtig?« Sie hätte es ihm wahrscheinlich nicht sagen sollen, aber sie war nun einmal daran gewöhnt, Justin gegenüber vollkommen offen zu sein.
Er beugte seinen Arm und stützte sein Kinn in die Hand, während er sie weiter ansah. »Möchtest du das?«
»Was?«
»Mit mir ins Bett gehen.« Er schien kein bisschen scheu oder unsicher, bloß …
neugierig. Sehr neugierig.
O Gott! »Justin, wir sind Freunde.«
Ein reuiges Lächeln trat auf seine Züge, als er sich wieder aufrichtete. »Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass wir mehr sein könnten?«
»Ich … ja, ich habe daran gedacht, aber … « Himmel noch mal! Hiermit hatte sie nicht gerechnet.
Er ersparte ihr weitere Peinlichkeiten, indem er eine Hand auf ihre Schulter legte und ihrem Gestammel ein Ende setzte. »Schon gut, Ivy. Ich verstehe.«
»Nein, ich glaube nicht, dass du verstehst.« Sie runzelte die Stirn. Wie konnte sie es ihm begreiflich machen? »Ich mag dich, Justin.«
Er sah sie ruhig an. »Eben nur nicht genug.«
Nein, und das wurde ihr erst in diesem Moment klar. »Du verdienst eine Frau, die an Liebe und all das glaubt.«
»Könntest du es vielleicht versuchen?«
Ivy musste unweigerlich schmunzeln. Welche Frau würde es nicht, wurde sie mit solchem Charme konfrontiert? »Ich könnte, ja.« Eventuell geschah es, oder auch nicht. Sobald der Mörder gefangen und Saint verschwunden war …
Gott, warum lief alles immer auf ihn hinaus?
Wenige Tage, und schon hatte er mehr in ihrer Arbeit gesehen als ihre eigene Mutter. Ein Mann, der sich zu ihr hingezogen fühlte, weil sie menschlich war - weil sie für ihn die verbotene Frucht war. Reizte er sie deshalb? Weil er gefährlich war? Weil sie wusste, dass er sie genauso verlassen würde wie ihr Vater ihre Mutter?
Männer gingen. Sie wüsste gar nicht, was sie mit einem anfangen sollte, der blieb, von »für immer« ganz zu schweigen.
Was sie veranlasste, in diesem Augenblick aufzusehen und zu einer vorbeifahrenden Kutsche zu schauen, konnte sie nicht sagen, aber ihr stockte der Atem, als sie dem Blick des Mannes darin begegnete.
Es war ihr Vater, Baron Hess. Herausgeputzt, wie es einem Gentleman mit Titel zukam, wenn auch nicht nach der neuesten Mode gewandet. Begleitet wurde er von seiner Frau und seiner Tochter. Ivy versetzte es einen Stich, ihre Schwester zu sehen, die sie in der Öffentlichkeit nicht kennen durfte, wollte sie Rose nicht in Verlegenheit bringen.
Frostig nickte sie ihrem Vater zu, worauf seine Gemahlin tiefrot anlief. Natürlich wusste sie, wer Ivy war. Rose lächelte ihr verstohlen zu.
Ivy hatte ihre Schwester vor langer Zeit kennengelernt, als sie so dumm gewesen war, ihrem Vater einen Besuch abzustatten. Sie trafen sich heimlich, wann immer sie konnte, ohne dass es jemand mitbekam. Nie sprachen sie in der Öffentlichkeit miteinander, wo sie sich auf ein heimlich ausgetauschtes Lächeln beschränkten.
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