SALVA (Sturmflut) (German Edition)
mich schon, seit der Zug damals den Bahnhof verlassen hatte „Woher
wusstest du, dass Aljoscha und ich in diesem Zug sitzen würden? Hat dir das
auch Branko gesagt?“
„Ja. Und alles, was danach auf dich
zukommen sollte. Ich dachte, ich könnte es verhindern, aber ich war zu spät.“
Ich schüttelte nur sachte den Kopf.
„Nein, du bist jetzt hier. Wir haben
eine Chance zu überleben und von hier zu entkommen.“
Ich
konnte einfach nichts mehr sagen und drückte nur das Gesicht in seine Schulter.
Radu legte seine Arme um mich und drückte mich an sich. Mit seiner Hand strich
er über mein nasses Haar und für diesen Moment wollte ich mich einfach nicht
mehr rühren.
16
Mein
Atem ging schnell. Ich war wieder in der Fleischfabrik, doch diesmal war alles
dunkel um mich herum. Jemand verfolgte mich, doch ich konnte die Person nicht
sehen, nur hören. Wo war mein Messer? Wo war meine Waffe? Warum war ich
wehrlos? Warum bin ich allein? Mich überkam unerträgliche Panik und ich
versuchte nur irgendwie den Ausgang zu finden, doch er war nicht mehr dort, wo
er zuvor gewesen war. Nichts war mehr so, wie es vorher war. Der ganze Boden
war überschwemmt von Blut. Es war flüssig wie Wasser. Plötzlich versank ich bis
zu den Hüften darin und jemand packte mich von hinten. Ich schrie. Ich schrie
um Hilfe, aber niemand kam. Die Person schleppte mich zu einem der
Metallcontainer. Nein! NEIN! Alles, nur nicht das. Ich begann mich mit aller
Kraft zu wehren, während der Unbekannte versuchte, mich Kopf über in den
Container zu drücken. Ich stemmte mich mit dem ganzen Körper dagegen und
krallte mich am Rand fest. Es half nicht. Ich kam dem Inhalt des Containers
immer näher. Ich wollte nicht. Ich wollte nicht hinein sehen. Ich öffnete die
Augen schließlich doch und sah in das verwesende Gesicht eines Mannes. Es war
die Schutztruppe, die die beiden Männer bei sich hatten. Die beiden Männer, die
ich vermutlich mit dem Gas aus der Metalldose umgebracht hatte. Ich hatte damit
auch ihn zum Sterben verdammt. Er war noch am Leben gewesen. Was hatte ich
getan? Er öffnete die Augen und sein Blick war purer Hass.
Ich
schreckte auf und konnte es nicht fassen, für einen Moment war ich tatsächlich
eingeschlafen. Mein Puls raste und mein Körper begann zu zittern. Ich hatte einen
Alptraum. Er war so intensiv, dass ich glücklich war wach zu sein. Auch, wenn
die Erschöpfung mich sofort wieder niederschlug. Ich verdrängte die Bilder des
Traums aus meinem Kopf. Ich wollte nicht daran denken. Ich konnte das jetzt
einfach nicht ertragen. Radu drückte mich wieder an sich. Es konnte nicht viel
Zeit vergangen sein. Vielleicht eine Stunde. Ich sah zu ihm auf und er blickte
besorgt auf mich herab. Er strich mir beruhigend über die heile Wange.
„Alles okay?“
„Ja, nur ein Alptraum. Alles gut. Ist
das Gas schon weg?“
„Vermutlich nicht. Ich nehme mal an, es
hält sich noch ein Weile.“ Ich setzte mich auf und sah ihn an. Er sah besorgt
aus. Vermutlich dachte auch er daran, wie wir von hier entkommen konnten.
„Aljoscha Manyuk ist auch hier. Er und
zwei weitere Leute sind im Glockenturm der Kirche.“ Bei diesen Worten wurde
Radus Gesicht sofort hart und ich konnte sehen, wie sich die Muskeln an seinem
Kiefer anspannten.
„Ja. Branko hatte erwähnt, dass Manyuk
bei dir ist.“ Er zwang die Worte förmlich aus sich heraus. Was störte ihn? Ich
war irritiert.
„...Wir haben einen Plan um von hier zu
fliehen. Es könnte klappen. Wir sollten zu ihnen gehen.“ Radu blickte mir
direkt in die Augen und atmete tief ein.
„Er hat dich einfach gehen lassen um
dich Branko allein zu stellen?“ Ich war nicht mehr irritiert, ich war verwirrt.
„Nein, ich bin abgehauen. Ich wollte
die anderen nicht durch meine Anwesenheit in Gefahr bringen. Was ist los mit
dir?“ Er schnaubte und ich wusste, das bedeutete er war wütend.
„... Er... Er wollte dich doch hier
rausbringen, oder nicht? Warum hat er nicht besser auf dich aufgepasst? Er
hätte doch am besten wissen müssen, was für ein Psychopath Branko ist.“ Er
hatte Mühe seine Stimme ruhig zu halten und ich verstand noch viel weniger.
Hatte er sich nicht im Grunde für das
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