SALVA (Sturmflut) (German Edition)
tun um es
zu schaffen, schon allen für Ihsan. Ich hatte nur nicht die geringste Idee,
wie. Es fühlte sich wie eine unlösbare Aufgabe an. Man verlangte von mir den
Ozean schwimmend zu überqueren. Es fühlte sich einfach nicht machbar an. Wo
sollte ich anfangen, wenn ich erst in Novi war? Ich könnte versuchen, ihm eine
virtuelle Nachricht zu hinterlassen aber wer sagt, dass er davon überhaupt
Notiz nahm? Vielleicht hielt er sich bewusst von jeder Art Medien fern. Sie
würden den Aufruf sowieso so schnell löschen, wie jeden bisherigen Eintrag von
mir, alles andere wäre zu auffällig. Ich könnte mich durchfragen, aber das wäre
eine Verzweiflungstat. Wer würde mir schon irgendwas verraten? Niemand, der
etwas wusste, würde es zugeben. Ich entschied abzuwarten und erst wieder
darüber nachzudenken, wenn ich in Novi angekommen war.
„Wo werde ich unterkommen?“
„Nirgendwo.“ Sein Blick war fokussiert
auf die Straße.
„Ich soll also auf der Straße leben?“
Ich konnte es nicht ganz glauben. Stand das auf einer Liste mit dem Titel „Wie
können wir es unserem Opfer unmöglich machen Salva auch wirklich zu finden?“, denn
ohne ein Dach über dem Kopf würde ich vielleicht schon morgen mit einer
aufgeschlitzten Kehle in einer Seitenstraße liegen, erfroren oder vielleicht
ertrunken sein, angesichts des unaufhörlichen Regens, wollte ich das nicht
ausschließen.
„Ein Erlöser nimmt sich doch der
verzweifelten Seelen an. Je verzweifelter desto besser.“ Mit einem Mal fiel es
mir wieder sehr leicht ihn zu hassen. Am Ende waren sie doch alle gleich, diese
Regierungsmänner. Ich wusste wirklich nicht, wie mir Verzweiflung bei der Suche
helfen sollte. Jemand, der Leben zu geben hat, gibt es vielleicht am ehesten
einer halb-toten jungen Frau. Am siebten Tag wäre ich vielleicht schon nah
genug dran aber hatte ich dann noch die Zeit um etwas zu bewirken?
„Hier.“ Er reichte mir eine Geldkarte.
„Es ist nicht viel drauf. Es wird nur für ein bisschen was zu essen reichen.
Mehr kann ich leider nicht für dich tun.“ Ich nahm sie, aber es machte meinen
Hass nicht vergessen.
Die
Brücke war nun schon in der Ferne zu sehen und der Wagen hielt an.
„Ab jetzt bist du auf dich allein
gestellt und vergiss nicht: Du hast sieben Tage Zeit. Versuch nichts Dummes und
wenn du mich erreichen willst gibt es nur eine Möglichkeit.“
„Ja, deswegen: Ich bin mir nicht
sicher, ob ich verstanden habe, wie ich das anstellen soll.“ Er beugte sich vor
und öffnete die Tür auf meiner Seite.
„Wenn es nötig ist, wirst du es schon
verstehen. Jetzt steig‘ bitte aus.“ Fassungslos stieg ich aus dem Fahrzeug und
ohne ein weiteres Wort fuhr er davon. Sie wollten, dass ich versage. Es gab
keine andere Erklärung dafür. War ich wirklich so eine Bedrohung für sie
geworden? Sie wollten mich aus dem Weg haben und das war ihre kreative Lösung
dafür. Aber Petaks Wutausbruch war echt, ich war mir völlig sicher und er galt
definitiv nicht mir. Ich war so verwirrt. Das ergab alles keinen Sinn. Trotzdem
würde ich nicht einfach aufgeben. Ich würde alles versuchen, um Ihsans Leben zu
retten und wenn ich dafür durch einen Ozean schwimmen musste, dann war es an
der Zeit sich in die Fluten stürzen.
5
Novi
war der größte von fünf Planbezirken der Stadt und bildete allein fast ein
Drittel der Wohnfläche. Schon früher standen hier symmetrisch angeordnete
Plattenbauten. Ein monströses Ghetto für die ärmsten Einwohner. Daran hatte
sich bis heute nicht viel geändert. Die riesigen Wohnbauten waren neu, aber das
Gefühl von Slum war geblieben. Die Gebäude lagen nun enger bei einander
und waren wesentlich höher. In regelmäßigen Abständen fand man Einkaufsläden
oder Möglichkeiten, sich vom Alltag abzulenken. Bunte Reklamen wiesen einem den
Weg durch die engen Gassen zu Spielhallen, Kinos, Wahrsagerinnen, Bordellen und
Bars. Man hatte das Gefühl, in einer anderen Stadt zu sein. Kein bisschen Grün,
kein Baum zwischen den Straßen und Gehwegen. Jeder Zentimeter wurde für
Wohnflächen genutzt. Die Fenster der unteren Etagen waren fast überall
vergittert und statt Screens, für die Übertragung der Nachrichten, gab es nur
Projektionen auf graue Fassaden. Eine einzelne Person
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