SALVA (Sturmflut) (German Edition)
Überschwemmungen,
Hitzeperioden und Stürmen arrangiert. Es war der Preis den wir für die
Unersättlichkeit und Ignoranz unserer Vorfahren bezahlen mussten, aber so lange
hatte es noch nie geregnet.
„Ja, immer noch aber keine Sorge, sie
haben die Brücken bereits raufgefahren. Du kommst also einigermaßen trocken
nach Novi.“
„Ich werde nur bis zur Brücke
gebracht?“
„So lautet der Plan. Wir müssen sehr
vorsichtig sein, es soll ja schließlich diesmal klappen Salva zu schnappen.
Novi ist sein Revier und er kennt augenscheinlich die meisten, die für die
Regierungsvertretung in dieser Stadt arbeiten. Wir wollen nichts riskieren.“ Er
sah auf die Uhr und dann zur Tür. Scheinbar war er in Eile. Ich zog das Cape an
und signalisierte mit meinem Blick, dass ich nun bereit war zu gehen.
„Noch etwas, Ludmilla-“
„Milla.“ Ich wusste nicht, warum ich
ihn korrigierte. Es kam einfach aus meinem Mund gesprungen. Im selben Moment
kam ich mir vor, als wäre ich wieder zwölf Jahre alt. Warum tat ich das? Meine
Freunde nannten mich Milla, meine Familie nannte mich so. Warum sollte ich ihm
etwas Privates von mir geben? Ich sagte mir selbst, dass es egal war. Sollte er
ruhig glauben, ich würde auf sein Spielchen reinfallen. Wer weiß, vielleicht
würde es mir noch nutzen auch, wenn ich im Moment berechtigte Zweifel daran
hatte.
„Okay, Milla. Noch eine Sache: Versuch
unter gar keinen Umständen Kontakt mit Freunden oder Familie aufzunehmen.
Versuch nicht einmal Novi zu verlassen. Ich behalte alle, die dich kennen unter
Beobachtung. Versuch irgendwelche Dummheiten und es wird Konsequenzen haben.“
Seine Worte waren überflüssig, es war mir schon klar, wie die Dinge für mich
standen. Außerdem hing Ihsans Leben davon ab, dass ich vernünftig war.
„Verstanden.“ Er öffnete die Tür und
wir verließen den Raum.
Erst
nach mehreren, langen und identischen Gängen, sah ich die erste Fensterfront
und erkannte sofort, wo wir waren. Es war einer der riesigen Wolkenkratzer, die
aus dem Stadtzentrum ragten. Wir waren sehr weit oben und der Anblick war ein Schock
für mich. Mir war nie bewusst gewesen, dass ich Höhenangst hatte. Mir wurde
augenblicklich schwindelig und ich krallte mich an Aljoschas Ärmel fest. Er
griff sofort nach hinten und hielt mich fest.
„Alles in Ordnung?“ Er sah mich
tatsächlich besorgt an.
„Ja, alles gut. Können wir nur bitte an
der Wand entlang gehen?“ Er sah zur Fensterfront und ging dann wortlos mit mir
zur Wandseite. Wir gingen noch ein ganzes Stück, ich versuchte nicht in
Richtung der Fenster zu schauen, bis wir die Tür zu einem Lift erreichten. Er
drückte seinen Finger gegen das Kontrollpad und die sie öffnete sich. Kaum,
dass die Fahrstuhltür sich hinter uns geschlossen hatte, überkam mich
Erleichterung. Ich starrte eine Weile auf die Anzeige der Stockwerke, bis ich
bemerkte, dass Aljoschas Blick an mir haftete. Sofort hatte ich wieder dieses
flaue Gefühl.
„Was ist?“ Ich hielt meine Stimme
ruhig, ihn wütend zu machen war in jedem Fall nicht gut. Er lächelte mich an
und ich konnte mir nicht helfen, sein Gesichtsausdruck strahlte Mitgefühl aus.
„Nichts. Ich warte nur, dass die Farbe
wieder in dein Gesicht zurück wandert. Wäre nicht gut, wenn du unterwegs
zusammenklappst.“
Wir
kamen unten an und ich erwartete eine größere Menschenmenge im untersten
Stockwerk, doch da war niemand, abgesehen von vier Schutztruppen, die wache
hielten. Die Lobby des Gebäudes war wirklich beeindruckend. Wie üblich, für
solche Bauwerke, viel Glas, Stahl und Marmor. Die Decken waren schier endlos
hoch und alles wirkte harmonisch. Wir gingen nicht zum Hauptausgang hinaus
sondern durch einen Seitenausgang. Er führte direkt zu einem Parkdeck, auf dem
nur ein Fahrzeug stand. Es regnete tatsächlich in Strömen. Ich ging zu dem
Fahrzeug und Aljoscha öffnete mir die Tür. Drinnen war es schön warm. Es war
ewig her, dass ich in einem Fahrzeug saß. Sie wurden, wie fast alles, mit
Biomasse angetrieben, deshalb waren sie selten geworden. Kaum hatte er den
Motor gestartet, öffnete sich schon das Tor. Während der Fahrt sah ich mich
noch einmal genau um. Es war sehr wahrscheinlich das letzte Mal, dass ich meine
Heimatstadt sah. Ich musste versuchen es zu schaffen, ich würde alles
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