SALVA (Sturmflut) (German Edition)
an
und versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen. Ich hielt meinen
Arm an den Sensor neben der Tür, ohne viel Hoffnung, und tatsächlich blieb die
Tür verschlossen. Hatte sich meine gestrige Aktion herumgesprochen? Ohne einen
weiteren Versuch in den Raum zu kommen, verließ ich das Gebäude wieder. Ich war
frustriert, wusste aber auch nicht, was ich noch tun konnte. Mit weiteren
kopflosen Aktionen für noch mehr Aufsehen sorgen, bis man mich in den Arrest
sperren würde? Das wäre in dieser Situation auch keine Hilfe für mich.
Vermutlich würde eine Nachricht in den virtuellen Medien sowieso nicht viel
bringen. So ging dieser Salva offensichtlich nicht vor. Ich setzte mich auf die
Treppe vor dem Institut und versuchte zu überlegen. Wie könnte er mögliche
Kandidaten für eine Rettung finden? Wie würde ich vorgehen, wenn ich an seiner
Stelle wäre? Ich würde auch niemanden wissen lassen, wie man mich finden
könnte. Es gab nur einen Weg, er musste die Leute finden. Sie selbst auswählen.
Aber immer noch blieb die Frage: Wie? Man muss die Menschen beobachten, wie
stellt man allerdings sicher, keinem Spion auf den Leim zu gehen? Wo könnte man
Menschen finden, die den Gedanken von Freiheit, vielleicht sogar Rebellion
teilten? Wo waren die Verlierer der Gesellschaft? ...hier. Ich legte das
Gesicht in die Hände. Meine Gedanken gingen im Kreis und es machte mich langsam
verrückt. Das war alles einfach zu schwierig. Wie sollte ich mich in eine
unbekannte Person hinein versetzen? Ich fühlte mich machtlos und die ständige
Anspannung und der Stress raubten mir die Kraft. Mir lief die Zeit davon, ich
musste endlich einen konkreten Punkt finden um meine Suche zu beginnen, sonst
würde Ihsan sterben. Bei diesem Gedanken krampfte sich mein Inneres zusammen.
Ich zwang mich selbst wieder zur Konzentration. Ich brauchte Ideen. Hier lebten
die Verlierer des Systems. Viele hatten typische Jobs mit einem Mindestgehalt,
wie Lagerarbeiter oder Verkäufer. Jedoch arbeiteten die meisten in einer Chemie
und Zellulosefabrik am Rande von Novi. Ich stand auf und machte mich auf den
Weg. Die Fabrik war ungefähr eine Stunde Fußweg entfernt. Man kam nur bis zur
Straße, die auf das Gelände führte. Alles war streng abgeriegelt und durch
Sicherheitskräfte bewacht. Ich wollte auch nicht auf das Gelände. Es
interessierte mich, wo die Männer und Frauen nach der Arbeit hingehen würde.
Vielleicht hatten sie einen Treffpunkt, wo sie offen redeten. Die Fabrik und
das Gelände waren, so wie alle öffentlichen Plätze, Kamera überwacht. Keine
Chance Gerüchte über einen ominösen Retter weiterzugeben. Ich wartete einige
Stunden, bis die Tagesschicht das Gelände verließ. Mittlerweile spürte ich die
Erschöpfung der schlaflosen Nacht und den Hunger. Die letzte Mahlzeit lag nun
fast zwei Tage zurück, ich wollte aber nicht noch einen Tag verlieren. Die
meisten Arbeiter fuhren mit der firmeneigenen Transitbahn zurück nach Novi, nur
einige gingen zu Fuß. Ich verfolgte sie mit einigem Abstand, aber am Ende waren
auch die letzten in einem Wohnkomplex verschwunden. Ich entschied, es morgen
noch einmal zu versuchen und ging zu einem Automatenladen. Es war ein kleines
kastenförmiges Gebäude mit einigen schmucklosen Tischen und Stühlen und einer
ganzen Reihe von Automaten. Alle waren mit verschiedenen Sorten
Versorgungsnahrung in kleinen Behältern gefüllt. Man fand diese
Automatenhäuschen in fast allen Wohngegenden. Sie prägten das Stadtbild, so wie
die Screens für die öffentlichen Nachrichten und die Männer in Uniformen. Ich
schob die Geldkarte in den ersten Automaten neben der Tür. Der Hunger machte
mich langsam schon verrückt und es war mir völlig egal, was ich aß. Jetzt würde
sowieso alles himmlisch schmecken. Ohne groß zu überlegen drückte ich einfach
den obersten Knopf und wartete kurz. Dann nahm ich den Behälter, setzte mich an
einen der Tische und fing an das Essen im mich hinein zu schlingen. Nachdem ich
aufgegessen hatte, blieb ich noch etwas sitzen und wärmte mich auf. Der Regen
war heute zwar nicht sehr stark, aber ich war fast die ganze Zeit draußen
gewesen und meine Sachen waren durchnässt. Die Kälte war bereits durch jede
Faser gekrochen. Ich schaute durch die Glasfront nach draußen und beobachtete,
wie es langsam dunkel wurde. Ich konnte mir nicht helfen, ich legte den Kopf
auf den Tisch und schloss die Augen. Nur für ein paar Minuten ausruhen, Kraft
sammeln und dann weiter suchen. Die
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