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Salve Papa

Salve Papa

Titel: Salve Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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er darauf, sein Sohn möge doch bitte irgendwann einmal auch bei uns übernachten. Ich ahnte Schwierigkeiten, wehrte mich nach Kräften, versuchte den Termin der Übernachtung von Karl Friedrich hinauszuzögern und unter lächerlichen Vorwänden auf die ferne Zukunft zu verschieben, in der Hoffnung: Der Junge gibt auf und vergisst es.
    Doch Karl Friedrich vergisst nie etwas. Und er gibt nie auf. Kaum sah er mich in der Schule, rannte er mir entgegen mit der Frage, wann er endlich bei Sebastian übernachten dürfe? Ich gab auf.
    »Du kannst jederzeit bei uns übernachten, meinetwegen schon heute, wenn deine Eltern einverstanden sind. Rede zuerst mit ihnen.«
    »Ich werde Sie in Kenntnis setzen!«, sagte dieser Mikroorganismus daraufhin.
    »Ja, setz mich ruhig dahin, ich bitte sogar darum.«
    Karl Friedrich ist das kleinste Kind in der Klasse, aber ich glaube, alle haben Angst vor ihm. Eine andere Art von Angst. Das ist nicht die Angst, die der große ungezogene Vollblut-Junge Birmidschan um sich verbreitet. Es ist die Angst vor einem, der immer besser Bescheid weiß.
    Bei uns angekommen, inspizierte Karl Friedrich als Erstes mein Arbeitszimmer, rückte die Bücher auf dem Regal zurecht, legte die T-Shirts auf dem Sofa ordentlich übereinander, zeigte auf das Kleingeld, das auf meinem Tisch lag, und sagte leise: »Man lässt Geld nicht einfach so herumliegen«, und ging hinaus. Zu meiner Frau sagte er »Rauchen tötet«, als er sie mit einer Zigarette auf dem Balkon erwischte. Meiner Schwiegermutter wollte er beibringen, wie man am besten gekochte Eier schält.
    Bei der Schulumfrage, wer was werden will, hatte Karl Friedrich zur Tarnung Feuerwehrmeister angegeben. Ich glaube, er wird Bundeskanzler. Der Vater von Karl Friedrich ist Anwalt und seine Mutter wahrscheinlich auch, zumindest sieht sie auf den ersten Blick ihrem Mann sehr ähnlich. Karl Friedrich hat einen älteren Bruder, der ist erstaunlicherweise Rapper. Ein waschechter fünfzehnjähriger Rapper mit heruntergelassener Hose, Turnschuhen ohne Schnürsenkel und großer Baseballcap. Ich stelle mir die Familienentwicklung in dieser Zelle wie folgt vor: Als die Anwälte einsehen mussten, dass sie einen Rapper als Sohn haben – sie wollten schon damals am liebsten einen Bundeskanzler, aber es hat nicht geklappt, starteten sie einen zweiten Versuch. Diesmal wollten sie nichts dem Zufall überlassen. Sie gaben dem Säugling einen Namen, mit dem er unmöglich rappen konnte, und verabreichten ihm außerdem einen Zaubertrank, eine Medizin. Und während die anderen Kinder Märchen erzählt bekamen, haben sie ihm Abend für Abend aus dem Mehrwertsteuergesetz vorgelesen, oder ihn im Fernsehen nur Sandra Maischberger anschauen lassen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie sie es gemacht haben, aber es hat funktioniert.
    Der zukünftige Bundeskanzler hat während seines offiziellen Besuchs bei uns alle Filme und Computerspiele meines Sohnes gemäß ihrer Altersfreigabe in zwei Stapel sortiert. In einem Stapel lagen Spiele und Filme, die Sebastian allein sehen darf, in dem anderen Stapel solche, die nur in Karl Friedrichs Anwesenheit gezeigt werden dürfen. Abends haben wir zusammen Matrix Revolutions angeschaut, und Karl Friedrich kommentierte ununterbrochen den ganzen Film lang, wann seiner Meinung nach etwas Realität war und wann die Fiktion einsetzte. Er brachte uns mit seinen Auslegungen ziemlich durcheinander, wir mussten gestehen, diesen Film früher völlig falsch gedeutet zu haben. Dafür schlief Karl Friedrich nachts so tief und fest, als hätte ihn eine Traumfee geküsst, und alle Hoffnungen Sebastians auf verbotene Nachtspiele blieben unerfüllt. Kaum wurde Karl Friedrich wieder wach, fing er an, uns das Leben zu lehren. Er erklärte mir, welche Zahnpasta ich unbedingt kaufen müsse und warum. Später klärte er mich über die Vorzüge verschiedener Sorten von Müsli auf.
    Ich schaute gelegentlich diskret auf die Uhr. Um zwölf Uhr sollten seine Anwaltseltern das Kind abholen. Es war aber schon halb zwei und niemand gekommen. Karl Friedrich lief gerade zu Hochform auf. Er fragte mich, wann ich eigentlich das letzte Mal beim Friseur gewesen wäre. Endlich klingelte es an der Haustür. Nicht die Anwälte, der Rapper-Bruder kam rein, entschuldigte sich frech für die Verspätung, verpackte den Bundeskanzler blitzschnell in seine Klamotten und verschwand. Ich zog mich an und ging zum Friseur.
     

Ab 18
    Ich würde gerne der Freiwilligen Filmselbstkontrolle, der FSK,

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