Salve Papa
eine Brille ausleihen, wenn sie nur Augen hätte. Doch ich glaube, sie hat keine. Anders kann ich mir nicht erklären, was diese Kontrollmenschen dazu veranlasst hat, das Puppenspiel-Beziehungsdrama Alien vs. Predator als Film ab achtzehn einzustufen. Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber Menschen, die sich nach der Vollendung ihres achtzehnten Lebensjahres noch immer für die Beziehungen zwischen außerirdischen Kreaturen interessieren, beweisen Infantilismus.
Mein achtjähriger Sohn, der seines Alters wegen die mit Säure spuckenden Außerirdischen mit Schwanz und Speer spannend und attraktiv findet, war ziemlich enttäuscht, als der Kartenverkäufer uns für Alien vs. Predator keine Karten verkaufen wollte.
»Ein Kind und ein Erwachsener«, sagte ich höflich zu ihm und schob einen Zehner unter der Glaswand
Der Kartenverkäufer erstarrte in seinem Sessel. »Was für ein Kind?«, wuselte er mit den Händen. »Nein, nein, der Film ist ab achtzehn, solche Filme werden oft kontrolliert. Ich würde auf der Stelle meine Arbeit verlieren, wenn ich Sie reinlasse. Der junge Mann ist zehn Jahre zu jung, kommen Sie wieder, wenn er volljährig ist.«
»Aber in zehn Jahren läuft doch der Streifen nicht mehr«, versuchte ich mit dem Kartenverkäufer zu verhandeln. Alles war vergeblich. »Du musst noch zehn Jahre warten«, sagte ich zu meinem Sohn und stellte mir vor, wie Sebastian am Tag seine Volljährigkeit händereibend sagte: »So, jetzt bin ich endlich achtzehn, es kann losgehen, das wahre Leben kann beginnen. So viele neue Möglichkeiten stehen mir offen. Ich darf selbstständig Alkohol einkaufen, ich darf ferne Länder bereisen, ich darf heiraten und Auto fahren. Aber als Allererstes schaue ich mir natürlich Alien vs. Predator und Alien vs. Predator II an, die Lieblingsfiguren meiner Kindheit, die mir von der bescheuerten Freiwilligen Filmselbstkontrolle verboten wurden.«
Zu Hause beschlossen wir, den missglückten Kinobesuch in einen gemütlichen Fernsehabend zu verwandeln und uns einen familienfreundlichen Film um 20.15 Uhr anzuschauen. In der Glotze lief Der Wixxer, der war zugelassen ab sechs. Na toll, dachte ich, die Aliens ab achtzehn, der Wixxer ab sechs. Beide Filme sind sicher harmlos, doch die Aliens fand ich trotzdem irgendwie harmloser als die deutsche Komödie mit einem solchen bereits für sich sprechenden Titel.
Unseren beiden Kindern hat die Komödie jedoch außerordentlich gut gefallen, sie fanden den Wixxer total witzig. Sebastian wollte sofort in die Videothek und dort nach dem Wixxer II fragen. Es war aber schon Nacht, und wir schickten die Kinder stattdessen ins Bett. Eine Woche später jedoch wurde ein familiärer Videoabend geplant. Zu einem solchen Abend darf jedes Familienmitglied einen Film ausleihen. Zu diesem Zweck besuchten wir mit Sebastian gemeinsam unsere Stammvideothek in der Schönhauser Allee, einen fortschrittlichen Verleih mit anspruchsvollen Dokumentationen, experimentellen Schwarzweißfilmen und einem langen Regal mit einer kompletten Bergman-Retrospektive.
Sebastian hatte sein Anliegen noch immer nicht vergessen. Er wollte unbedingt den Wixxer II haben. Ich schaute mir die zwei jungen Damen an, die hinter dem Tresen die kinointeressierte Kundschaft bedienten, und stellte mir vor, wie ich zu ihnen ging und »Hallo«, sagte, »eine echt schöne Bergman-Retrospektive habt ihr hier, sehr umfangreich, aber ich suche den …« Nein, es war eine zu krasse Zumutung. Sebastian zog mich mit voller Kraft am Ärmel zur Theke.
»Komm, Papa, fragen!«
Ich wehrte mich und zog den Ärmel zurück. »Mein lieber junger Cineast«, sagte ich zu meinem Sohn, »aus Gründen, die ich dir hier vor Ort nicht erklären kann, weil dieses Gespräch den zeitlichen Rahmen unseres geplanten Videoabends sprengen würde, möchte ich dich bitten, die Mädchen hinter dem Tresen selbst nach deinem Lieblingsfilm zu fragen. Du brauchst keine Angst zu haben, der Film, den du ausleihen möchtest, ist ja ab sechs Jahren freigegeben, insofern stimmt deine Nachfrage mit dem Gesetz überein. Ich warte hier neben diesem Bergman-Regal auf dich, mein Junge. Und wenn sie dir den Film bringen, komme ich mit der Kundenkarte und erledige die Formalitäten. Vergiss aber bloß nicht, zuerst die Mitarbeiterinnen zu begrüßen«, fügte ich noch hinzu, »Höflichkeit lohnt sich immer.«
Sebastian nickte, ging zum Tresen, stellte sich auf die Zehenspitzen, schaute nach oben, hob die Hand, wie sie es in der Schule
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