Salz der Hoffnung
höchstens, daß Jorge so von sich selbst erfüllt war, daß er ihr gemeinsames Leben als selbstverständlich ansah. Er sprach auch nie über Geld. Regal erkannte, daß es ihm recht war, daß sie sämtliche Rechnungen bezahlte, bis er entschieden hatte, was sie als nächstes tun sollten. Er hatte bislang nur deutlich gemacht, daß sie nicht für immer auf der Insel bleiben konnten, er war ein zu ruheloser Mensch, um ein Leben in Untätigkeit lange genießen zu können.
Dann kam der Tag, da er ihr sagte, er brauche Bargeld.
»Natürlich.« Sie lächelte wie eine hingebungsvolle Mutter. »Wieviel?«
»Eine ganze Menge. Vielleicht hundert Pfund. Es ist nicht für mich selbst, sondern für einen jungen Seemann namens Jacob Aasgaard, der in Yarmouth mit mir in einer Zelle gesessen hat. Es ging ihm gesundheitlich nicht sehr gut, und ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich ihn aus dem Gefängnis holen kann. Jetzt weiß ich die Antwort.«
»Du kannst seine Freilassung mit Geld erwirken?«
Jorge grinste. »Nicht offiziell, aber es gibt Mittel und Wege.«
»Warum konnte ich dich dann nicht freikaufen?«
»Weil dieser Junge nur ein einfacher Matrose ist. Sie haben kein Interesse an ihm. Reynolds wollte meinen Kopf, nicht seinen. Ich werde selbst nach Yarmouth fahren und seine Freilassung veranlassen.«
»Aber wie?«
»Mittels Bestechung, mein Liebling. Ein paar Pfund hier, ein paar Pfund da, vor allem für den Gefängnisarzt und ein paar Aufseher. Sie werden Jacob ganz schnell hinauswerfen, wenn sie glauben, daß er an einer Infektionskrankheit leidet.«
»Eine sehr kluge Idee. Ich komme mit.«
»Nein. Die Männer, die ich brauche, finde ich am ehesten in den Hafenspelunken, und die sind nicht der rechte Ort für dich. Außerdem ist meine Haft nur ausgesetzt, und ich habe keine Lust, Reynolds’ Männer auf mich aufmerksam zu machen.«
»Nur ausgesetzt? Das hast du mir nicht gesagt.«
»Was bedeutet das schon?«
»Aber sie könnten dich aufhalten, wenn du das Land verlassen willst.«
»Wenn ich dieses Land verlassen will, dann werde ich einfach gehen.«
»Oh, Jorge, wenn irgend etwas schiefgeht mit der Befreiung deines Freundes, könnten sie dich wieder verhaften.« Er küßte sie. »Es wird nichts schiefgehen. Bestechung ist das Herzblut eines jeden Gefängnisses.«
In dem festen Glauben, diese wenigen Tage würden ihre letzte Trennung voneinander sein, fügte Regal sich in das Unvermeidliche, aber sie sorgte sich um ihn. Sie vertrieb sich die Zeit damit, ihre versäumte Korrespondenz nachzuholen, schrieb freundliche aber keineswegs zerknirschte Briefe an Maria und Edwina, eine Nachricht an Leonard und eine sehr deutliche Aufforderung an ihre Anwälte in London, die immer noch keine finanzielle Abmachung mit Charles getroffen hatten. Sie sollten eine Abfindung aushandeln, die er erhalten sollte unter der Bedingung, daß er die Scheidung einreichte. »Es ist nicht Ihre Sache, um meinen Ruf besorgt zu sein«, schrieb sie. »Da es mir nicht möglich ist, die Scheidung selber zu betreiben, müssen Sie ihn überreden, das Verfahren umgehend einzuleiten.«
Zwei Wochen vergingen ohne ein Wort von Jorge, und Regal wurde unruhig. Sie hatte das Gefühl, den Kontakt zur Welt verloren zu haben, und wußte nichts mit sich anzufangen. Selbst das Wetter schien zu ihrer Langeweile beitragen zu wollen, der scharfe Wind machte Spaziergänge unmöglich. Schließlich steigerte er sich zu einem furchtbaren Sturm, der beinah das Dach vom Haus riß. Donner grollte, und Regen prasselte auf die Insel nieder. Regal war zu nervös, um zu schlafen, und saß spät nachts am Feuer zusammengekauert, als plötzlich ein lautes Hämmern die verriegelte Tür erzittern ließ. Erschrocken sprang sie auf.
Es war Jorge, endlich wieder daheim. Er war bis auf die Haut durchnäßt, doch er zog sie an sich, schloß sie in die Arme und küßte sie. Erst dann bemerkte sie, daß er nicht allein war.
»Dies ist mein Freund Jacob«, sagte Jorge und wies auf den stämmigen Mann in einer tropfenden Öljacke hinter ihm.
»Der arme Jacob ist ein schwerkranker Mann«, lachte er. Regal fand, er sah
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