Salz der Hoffnung
Dann hörte sie, wie er durch die Halle schritt und das Haus verließ.
»Oh, verdammt!« Sie schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch.
Sie blieb dort sitzen, studierte eingehend ihre Fingernägel, einen nach dem anderen, und schob die Nagelhaut zurück. Dann drehte sie eine Hand um und betrachtete die Innenfläche. Eine Wahrsagerin hatte ihr einmal aus der Hand gelesen und prophezeit, sie werde einem großen, dunklen, gutaussehenden Mann begegnen, sie würden drei Kindern bekommen und ein langes, glückliches Leben miteinander führen. Sie wünschte, sie könnten endlich damit anfangen. Im Augenblick fühlte sie sich nur einsam.
Zwei Tage später kam sie morgens in die Halle hinunter und fand dort einen gewaltigen Strauß zartrosa Rosen in einer Vase. »Woher sind die Blumen?«
»Vom Captain, Madam«, antwortete Bonnie. »Er ist wieder zu Hause. Er ist in der Küche, die Köchin macht ihm gerade sein Frühstück.«
»Soll er doch bleiben, wo er will.«
Sie nahm ihre Post und die Zeitung mit in den Salon und versuchte, sich auf ihre Lektüre zu konzentrieren. Einer der Briefe war von Leonard; seine Bitte um ihre baldige Rückkehr wurde drängender: »Du bist immer noch mit Mr. Howth verheiratet, und seine Anwälte verfolgen ihre Nachforschungen mit mehr Druck. Ich habe das Gefühl, sie werden bald in Aktion treten. Er kann dein gesamtes Vermögen einfordern. Es ist daher unumgänglich, daß du England verläßt. Ich verstehe nicht, wie du noch zögern kannst.«
Was konnte sie antworten? Leonard gestehen, daß Jorge sich weigerte, London jetzt zu verlassen, daß er eigene Interessen verfolgte? Wenn sie Jorge erklärte, daß sie dringend fahren mußte, würde er zustimmen. Er würde sagen, wenn es wichtig sei, solle sie tun, was ihr Anwalt riet.
Er kam mit einem Becher Kaffee herein. »Hast du die Rosen gesehen, die ich dir mitgebracht habe?«
»Ja.« Sie sah zu, wie er einen Schuß Rum in seinen Kaffee gab und dann einen Löffel Sahne von ihrem Tablett hinzufügte. Er war unrasiert, und sein dichtes Haar hing ihm lose bis über die Schultern, nicht wie sonst mit einem Stück Schnur im Nacken zusammengebunden. Doch seine Augen leuchteten, und er wirkte keineswegs müde. Tatsächlich schien er glänzender Laune zu sein, und das machte sie ärgerlich. »Jorge, ich lasse mich nicht unter Druck setzen, das sollten wir lieber sofort klarstellen.«
»Ich setze dich nicht unter Druck.«
»Doch, das tust du, wenn du aus dem Haus stürzt und zwei Tage lang fortbleibst. Aber das lasse ich mir nicht bieten. Wenn du mich liebst, warum verletzt du mich dann absichtlich so?«
»Ich dachte, ein paar Tage Abstand würden uns guttun.«
»Nein, du dachtest, es würde dir guttun. Du hast dabei überhaupt nicht an mich gedacht.«
Er trank langsam von seinem Kaffee. »Stimmt. Du hast recht. Ich habe ein paar Freunde getroffen.«
»Ich will nicht hören, wo du warst und was du getan hast. Das interessiert mich nicht.«
Er hob die Schultern. »Es tut mir leid, Regal. Reicht das nicht?«
»Das muß es wohl für den Moment.« Sie wünschte, er würde zu ihr kommen, sie in die Arme nehmen und trösten, doch er starrte aus dem Fenster, wie er es so häufig tat. »Jorge, diese Sache ist mir wichtig. Nimm mich mit nach Island. Mir ist gleich, wenn ich die ganze Zeit unterwegs krank bin. Ich will weg aus London.«
»Ich werde dich mit nach Island nehmen, Regal. Und du wirst feststellen, es besteht nicht nur aus Eis und Schnee, es gibt viele wunderschöne Stellen dort. Aber ich kann dich noch nicht jetzt gleich mitnehmen. Alles, worum ich dich bitte, sind ein paar Monate.« Er streckte die Arme aus. »Komm her zu mir. Ich habe dich so sehr vermißt, daß ich mich mit meinem Verhalten nur selbst bestraft habe.«
Sie ging zu ihm, und er schloß sie in die Arme. Ihr Kopf ruhte an seiner breiten Brust.
»Diese Scheidung macht mir Sorgen«, murmelte sie.
»Vergiß die ganze Geschichte. Soll er dich doch als schuldige Partei hinstellen, was kümmert es dich?«
»Es könnte teuer werden«, gestand sie. »Wenn wir nach Amerika gingen, könnte ich alles problemlos regeln.«
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