Salz der Hoffnung
Familie verabscheute sie, und der Major konnte es ihnen kaum verdenken. Doch er wünschte, er hätte sie unter anderen Umständen kennengelernt. Eine so schöne Frau hatte etwas Besseres verdient als diesen dekadenten Fatzken Charles Howth oder einen größenwahnsinnigen Schurken wie Jorgensen. Er liebte den Klang ihres Vornamens. Regal. Er paßte so gut zu ihr, zu der makellosen, hellen Haut, dem blonden Haar und dem geheimnisvollen, warmen Blick ihrer Augen. Nicht zu fassen, daß sie Charles Howth geheiratet hatte. Er sah den Ehrenwerten Charles immer noch vor sich, wie er aufgeregt in seinem Wohnzimmer auf- und ablief, angetan mit einem unförmigen, reich besticken Morgenrock und juwelenbesetzten Hausschuhen.
Reynolds wäre gerne zu Regal gegangen, um ihr alles zu sagen, was er wußte. Sie vor Jorgensen zu warnen, ihr seinen Schutz anzubieten. Sie hatte ihn gemocht, als sie sich damals in Yarmouth begegnet waren, da war er sicher. Es war ein Zusammentreffen verwandter Seelen gewesen, Menschen, die nicht dem Adel angehörten, die aber trotzdem befähigt waren, sich weit über die Masse zu erheben. Doch sie weigerte sich, ihn zu empfangen. Zweifellos weil sie unter dem Einfluß des Dänen stand.
Victor Howth hatte schließlich auch aus seinem Bruder herausgeholt, wie die Situation sich in Wahrheit darstellte, daß es Regal war, die über das Geld verfügte. Nur aus diesem Grund hatte man Charles so schwer überreden können, gegen sie vorzugehen, und nur aus diesem Grund hatte er letztlich alles versucht, um sie zu halten. Dummköpfe, allesamt.
Nun, diese Runde hatte Jorgensen für sich entschieden, doch der Kampf war noch nicht zu Ende.
Er blätterte die Akten über ein paar neue französische Gefangene durch, als Captain Somerville eintrat. »Erinnern Sie sich noch an diesen Dänen? Jorgensen?«
»Ja, was ist mit ihm?«
»Alle reden sie von ihm. Anscheinend ist er mit drei Schiffen nach Island aufgebrochen, und es geht das Gerücht, sie seien verschwunden. Sie sind überfällig, sollten längst zurück in England sein, doch nirgendwo entlang der britischen Küste sind sie gesichtet worden. Aber das ist natürlich nur Gerede. Hat vermutlich gar nichts zu bedeuten.«
»Ich wußte es!« schrie Reynolds. »Man hat es ihm bei Gott zu leicht gemacht! Von wegen, es hat nichts zu bedeuten!«
»Glauben Sie, sie haben Schiffbruch erlitten?«
Reynolds sammelte seine Unterlagen ein. »Natürlich nicht! Unter dem Kommando dieses verfluchten Jorgensen kann man nur mutmaßen, was aus ihnen geworden sein mag. Ich wette, dieses Mal ist er überhaupt nicht nach Island gesegelt. Geben Sie Befehl, mein Pferd zu satteln, ich muß auf der Stelle zurück nach London!«
Der Premierminister, Lord Portland, erhielt die Protestnote der dänischen Regierung durch schwedische Mittler. Auf der Stelle schickte er nach dem Innenminister, Baron Hawkesbury, Earl of Liverpool, um eine Erklärung zu verlangen.
Das Ganze war einfach lächerlich. England überfiel oder annektierte kein Land ohne Zustimmung des Premierministers, also konnte es sich nur um einen dummen Irrtum der Dänen handeln. Dennoch war es eine ärgerliche Sache, gerade in Zeiten wie diesen, wo man doch weiß Gott genug damit zu tun hatte, den Territorialansprüchen Frankreichs Einhalt zu gebieten.
Man teilte dem Innenminister mit, daß ein jeder bei der Admiralität, vom kleinsten Schreiber bis hinauf zu den Lords selbst, ebenso irritiert und ratlos war wie der Premierminister. Der einzige Kontakt mit Island habe darin bestanden, daß man drei Schiffe mit Hilfsgütern unter dem Kommando eines dänischen Kapitäns, Jorge Jorgensen, hingeschickt habe. Die Admiralität war geschlossen der Auffassung, daß die dänische Regierung lieber dankbar sein sollte, daß England dem zu Dänemark gehörenden Island zu Hilfe geeilt war. Außerdem, wurde angemerkt, seien solch haltlose Verdächtigungen eine Beleidigung für jeden Briten.
Baron Hawkesbury überbrachte dem Premierminister diese Informationen, doch zehn Tage später erhielt Lord Portland einen ganzen Stapel wutentbrannter Briefe des Obersten Richters von Island, Magnus Stephensen. Unglücklicherweise waren einige Briefe gleichen Inhalts auch dem Herausgeber der Times zugegangen, und so ging ein weiteres
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