Salz der Hoffnung
schreckliche Zeit. Zumindest war es das für sie gewesen, bis sie David getroffen hatte. Und was auch immer kommen mochte, es war ihr gleich, wenn man sie eine Loyalistin – eine Englandtreue – nannte. Sie würde David Collins heiraten, wenn er sie fragte.
»Ich habe die Absicht, Maria Proctor zu heiraten, wenn sie mich will«, vertraute David Basil an.
»Tatsächlich?« Basil lachte. »Eine schöne Sprosse aufwärts für eine Krämerstochter, würde ich sagen.«
»Manchmal finde ich deine Kommentare geradezu widerlich, Mulgrave.«
»Was soll ich denn sonst sagen? Du verwechselst deine Liebe zu dieser neuen Welt mit der Liebe zu ihr. Fortwährend muß ich mir dein poetisches Gefasel anhören über die Pioniere auf diesem Vorposten des Abendlandes, während deine Pioniere in Wirklichkeit gerade dabei sind, ihre Wurzeln abzutrennen und alle Spuren des Landes zu tilgen, das sie bislang beschützt und genährt hat. Du bist von Amerika fasziniert, nicht von ihr.«
»Da irrst du dich. Sie ist so wunderschön, so still und sanft, so anders.«
»Anders als was? Du redest schon wieder von Amerika. Es stimmt, abgesehen von den Truppen erscheint diese Stadt mir auch frisch und sauber, Fluß und Hafen unverseucht und rein, nicht wie unser armes London. Aber man muß ihnen nur etwas Zeit lassen. Früher oder später werden sie ihre Stadt hier genauso verschandelt und besudelt haben.«
»Ich rede nicht von Amerika oder London. Ich rede von einer Frau, einer sanften Frau, aber aus dem Holz geschnitzt, aus dem die Pioniere sind, die Art Frau, die ich will. Nicht wie die überzüchteten Londoner Frauen, die nichts im Kopf haben als Gesellschaften und albernes, belangloses Geschwätz. Maria stammt von einem unverbrauchten Menschenschlag ab, sie ist nicht infiziert mit diesen überholten Verhaltensweisen.«
»Sie wird’s schon noch lernen, mein Lieber«, entgegnete Basil. »Reich mir doch den Portwein. Ich muß mir angewöhnen, mich links von dem Tablett mit den Karaffen zu setzen.«
Am gleichen Tag, an dem er bei den Proctors zum Tee eingeladen war und Marias Eltern offiziell vorgestellt werden sollte, wurde David Collins zum Captain befördert. Es war immer noch kein Marschbefehl ergangen, und jetzt war er darüber froh, denn so blieb ihm noch etwas Zeit, ihre Familie kennenzulernen und dann um ihre Hand anzuhalten.
Er war in Hochstimmung, als er bei ihrem Haus ankam, auch weil seine Neuigkeiten seine Sache erleichterten. Vom Sold eines Captains konnte ein Mann sehr viel besser eine Frau ernähren als von dem eines Lieutenants. Er hoffte, daß die Begegnung gut verlaufen würde, denn er hatte die Absicht, noch heute abend seinen Eltern gleich zwei gute Nachrichten zu schreiben – eine erfreuliche Abwechslung von den niederschmetternden Kriegsberichten, von denen er ihnen sonst zu berichten hatte.
Maria öffnete ihm selbst. Sie hatte nach ihm Ausschau gehalten und führte ihn eilig in einen kleinen Ecksalon. Bei schönem Wetter war dieser Raum sicher sonnendurchflutet, ging es ihm durch den Kopf, doch an diesem Tag war er eisig. Im Kamin brannte kein Feuer, und auf dem ganzen Haus schien eine unheimliche Stille zu lasten.
»Es tut mir so leid, David«, sagte sie. »Aber du kannst nicht zum Tee bleiben. Mutter ist krank. Ich hätte dir eine Nachricht schicken sollen, aber ich wußte nicht, wo du zu erreichen bist.«
»Das macht doch nichts. Mach dir darüber keine Gedanken. Ich werde einfach verschwinden und ein andermal wiederkommen.«
Er legte die Arme um sie, gerade als ihr Vater hereintrat. Hastig lösten sie sich voneinander. Proctor sah sie aus schmalen Augen an, schien jedoch zu bekümmert, um sich dazu zu äußern. »Lieutenant Collins? Ich bin sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Sir. Und ich bedaure, Sie herbemüht zu haben …«
»Aber ich bitte Sie, Sir. Wie geht es Mrs. Proctor?«
»Sie ist sehr krank«, murmelte Proctor. »Ich denke, ich sollte den Arzt verständigen.«
Als er am nächsten Tag wiederkam, wurde er von Polly Hayes in Empfang genommen. »Maria ist oben bei ihrer Mutter. Mrs. Proctor geht es sehr schlecht, sie hat Typhus. Sie fürchten, daß sie die Nacht nicht übersteht. Es ist einfach furchtbar, der Doktor sagt, eine
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