Salz der Hoffnung
Epidemie breitet sich in Boston aus.«
»Es tut mir so leid«, sagte David. »Kann ich irgend etwas tun?«
»Danke, aber ich glaube nicht. Mein Vater besteht darauf, daß Maria und ich Boston umgehend verlassen. Er versucht, eine Passage auf einem englischen Schiff für uns zu bekommen. Alle scheinen zu glauben, in Halifax seien wir sicherer. Maria will nicht fort, aber Mr. Proctor erlaubt nicht, daß sie bleibt. Er will, daß wir so bald wie möglich gehen.«
Polly klang so aufgeregt, daß man meinen konnte, sie plane eine Vergnügungsreise. »Möchten Sie, daß ich Maria von Ihnen auf Wiedersehen sage, David?«
»Nein, danke, Polly. Ich bin sicher, ich werde sie noch sehen, bevor ihr fahrt. Übrigens heißt es, daß wir bald abrücken, und es würde mich nicht wundern, wenn wir ebenfalls Richtung Halifax marschierten. Es ist unser nächster sicherer Hafen.«
Alice Proctor starb, und zwei Tage später starben zwei Nachbarskinder. Es ging ein Gerücht, daß jetzt in Boston auch noch die Pocken ausgebrochen seien.
Am Morgen der Beerdigung kam David, um zu kondolieren und zu fragen, ob er am Gottesdienst teilnehmen dürfe.
»Besser nicht, mein Junge«, sagte Alex Proctor freundlich. »Es gibt derzeit so viel Kummer in dieser Stadt, so viele Trauerfälle. Und die Leute geben den englischen Truppen die Schuld. Manche könnten es übelnehmen, wenn Sie teilnähmen.«
»Ich verstehe.«
Maria brachte ihn zur Tür. »Auch Basil läßt sein Beileid ausrichten«, sagte David. »Und bitte, wenn es irgend etwas gibt, das wir tun können, laß es uns wissen.« Er riß eine Seite aus seinem Notizbuch. »Das ist meine Messeanschrift. Ich werde nicht wiederkomme, ehe ich von dir höre. Ich will mich nicht aufdrängen.«
Unglücklich sah sie ihm nach und ging dann wieder hinein, um das Begräbnis vorzubereiten.
Hunderte von Menschen kamen zur Beerdigung, doch sie wich nicht von der Seite ihres Vaters und sah niemanden durch den Schleier ihrer Tränen hindurch. Anschließend war das Haus voller Menschen, und sie erlebte den Tag als ein verschwommenes Durcheinander.
Wenige Tage später kam Pollys Vater, Jasper Hayes, um ihnen mitzuteilen, daß er Schiffspassagen nach Halifax für Polly und Maria bekommen hatte. Edwina Foy werde sie begleiten, denn auch die Foys wollten unbedingt, daß ihre Tochter die Stadt verließ.
»Wird dein Sohn auch Edwina aufnehmen können?« fragte Jasper Alex Proctor.
»Das wird er müssen«, erwiderte Proctor. »In diesen schlechten Zeiten müssen wir einander helfen, wo wir nur können.«
»Ja, ich weiß. Aber meine Frau macht sich Sorgen, daß es nicht schicklich sei, wenn sie ohne Begleitung bei Jack wohnen.«
»Herrgott noch mal«, rief Proctor ungeduldig aus. »Sie sind erwachsen, sie sollen gegenseitig Anstandsdamen füreinander sein. Wenn Ettie so besorgt ist, sag ihr doch, sie soll mitfahren.«
»Ettie? Boston verlassen? Es müßte schon einen triftigeren Grund als Krieg und Pestilenz geben, um sie von hier zu vertreiben. Meine Ettie ist hier geboren und aufgewachsen, Bostonerin bis ins Mark.«
In der Zwischenzeit hielt Ettie Hayes Polly daheim und erlaubte nicht, daß sie zum Hause der Proctors ging, weil sie fürchtete, ihre Tochter könne sich anstecken. Darum traf Maria weder Polly noch Edwina, bevor sie an Bord des überfüllten Schiffes gingen.
Die drei jungen Damen standen unter einem Baldachin aus Segeltuch zusammengedrängt, der sie vor dem Nieselregen schützte, und winkten ihren Eltern zum Abschied zu. Maria brach es beinah das Herz, ihren Vater zu verlassen. Sie fürchtete, sie werde ihn vielleicht nie wiedersehen. Und obwohl sie David eine Nachricht mit dem Datum ihrer Abreise gesandt hatte, hatte sie keine Antwort erhalten. Polly hingegen war furchtbar aufgeregt und konnte es kaum erwarten, Jack wiederzusehen. Zu aufgeregt, dachte Maria. Man könnte meinen, sie hätte meine arme Mutter schon vergessen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und das oberflächliche Geplapper ihrer Freundin war eine harte Geduldsprobe.
Sie sah einen britischen Offizier in einem langen grauen Umhang den Kai entlanghasten und hoffte, betete, es möge
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