Salz der Hoffnung
Das Parlament tagt, also wird es ein leichtes sein, Castlereagh zu finden oder sonst jemanden, der mir die Erlaubnis geben kann. Ich verspreche Ihnen, wir lassen sie nicht hier. Sie hat nicht die Konstitution, um in diesem Dreck zu überleben.«
Am späten Abend wurde Regal ins Christ’s Hospital gebracht. Nicht weil es das beste sei, erklärte Flaherty, sondern das nächste. Sie habe zu große Schmerzen, man dürfe ihr keine unnötig weite Fahrt zumuten.
Dann brachte Flaherty Leonard zum Colchester zurück und schenkte ihm einen Whiskey zur Beruhigung ein. Leonard war dem irischen Doktor überaus dankbar, und auch ihm gegenüber hatte er ein schlechtes Gewissen. Bis heute hatte er Flaherty für einen Zyniker gehalten, der sich vielleicht überreden ließ, ein falsches medizinisches Gutachten abzugeben, doch jetzt erkannte er, daß Flaherty ihn aus Anteilnahme begleitet hatte. »Sie sind ein Mann voller Mitgefühl, Doktor«, bemerkte er, und Flaherty grinste. »So in etwa hat Castlereagh sich auch ausgedrückt. Er habe gedacht, ich sei endgültig fertig mit den Kreuzzügen für die gute Sache. Aber Ihre Regal … Sie ist eine wundervolle Frau, wert, daß man um sie kämpft.«
Jorge war von der Hulk in die Kaserne von Gravesend gebracht worden, wo man ihm erlaubt hatte zu baden und ihm saubere Kleidung gab. Er war dankbar für den Wechsel von der Hulk in dieses spartanische, militärische Quartier, aber er nahm seine neue Umgebung genauestens in Augenschein: die Lage der Kasernengebäude, die Route der Wachen; er merkte sich ihre zeitlichen Abläufe, lauschte auf die Anzahl der Stiefel, um abzuschätzen, wie viele es waren.
Die Soldaten, die zu seiner Bewachung abgestellt waren, waren umgänglich. Er durfte sich ungehindert mit den einfachen Kavalleristen unterhalten, die auf dem Weg von und zu ihrem Quartier nebenan vorbeikamen. Dies war keine Gefängnis-, sondern eine Arrestzelle. Das Fenster war vergittert, und die Tür glich der eines Pferdestalls: sie war in zwei Hälften unterteilt, und die obere war tagsüber geöffnet, um dem Insassen Kontakt zur Außenwelt zu ermöglichen.
»Und die Flucht«, murmelte Jorge. Von hier zu fliehen wäre wirklich ein Kinderspiel, aber er glaubte, daß es in seinem eigenen Interesse sein könnte, eine Weile zu bleiben und herauszufinden, was es mit dieser plötzlichen Verbesserung seiner Lage auf sich hatte.
In seinem neuen Quartier gab es eine vernünftige Pritsche, eine Waschschüssel, einen Tisch und einen Stuhl. Der Tisch wirkte fast wie ein Schreibpult. Jorge grinste vor sich hin. War er vielleicht dazu gedacht, daß die Arresthäftlinge sich hier hinsetzten, um ihre Sünden aufzuschreiben? Ihre Missetaten zu gestehen? Und galt das vielleicht auch für ihn? Sollte auch Jorgensen an diesem Tisch niederschreiben, was sie von ihm wissen wollten? Was immer das sein mochte. Nun, er würde ein Weilchen abwarten und sich anhören, was man ihn fragte, wenn sie kamen, um ihn zu verhören. Und dann konnte er notfalls immer noch fliehen, ehe sie ihn auf die Hulk zurückschicken konnten. Die Wachen waren lax, hätte er gewollt, könnte er längst über alle Berge sein.
Er fühlte sich mit jedem Tag besser, jetzt da er wieder vernünftiges Essen bekam, und seine Hand- und Fußgelenke begannen zu heilen. Die Ketten hatten schwärende Wunden hinterlassen. Er hatte den Bart abgenommen und war die Läuse los, die sich darin eingenistet hatten. Auch sein Kopfhaar war kurzgeschoren. Das machte ihm nichts aus. Es gab ihm das Gefühl, wieder kräftiger und gesünder zu sein.
Die Kavalleristen waren allesamt freundliche, hilfsbereite Kerle, und einer von ihnen hatte sich sogar bereit gefunden, Regal eine Nachricht von Jorge zu überbringen, damit sie wußte, daß es ihm gutging. So wie er Regal kannte, würde sie vermutlich innerhalb weniger Stunden in der Kaserne auftauchen. Sie hatte genug Mut gehabt, in ein Gefängnis zu spazieren, eine Frau wie sie schreckte da eine Kaserne sicher nicht ab. Gott, wie sie ihm fehlte! Während er auf der Bahama in Ketten gelegen hatte, hatte er sich jeden Gedanken an sie versagt. Er wollte sich nicht selbst quälen mit der Sehnsucht nach ihr, denn es half ja nichts und lenkte einen nur ab von der Konzentration auf die vordringlichsten Aufgaben: Überleben und Flucht.
Der Soldat war
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