Salz der Hoffnung
»Ich bin gekommen, um festzustellen, was ich für sie tun kann. Sie waren eine Zeitlang auf den Hulken, wie ich hörte?«
»Ja. Sie konnten mich nicht hängen, also haben sie auf diese Art versucht, mich umzubringen. Haben Sie die Hulken je gesehen?«
»Nein.«
»Das sollten Sie aber. Dort können Sie die Schande Englands sehen. Ihr laßt die Menschen dort verhungern und nehmt Ihnen alle Würde. So nährt ihr deren Haß auf eure Klasse.«
Sein Hohn zeigte Wirkung. Mulgrave donnerte mit seinem Stock auf den Boden. »Für wen, zur Hölle, halten Sie sich eigentlich, Jorgensen? Ich bin nicht hier, um mir Ihre Moralpredigt anzuhören.«
»Warum sind Sie dann hier? Sie kommen sicher nicht vom Verein für Gefangenenhilfe, darauf würde ich wetten. Oder wollen Sie sich wegen der Scottish Prince bei mir beschweren?«
Mulgraves lief rot an. »Hüten Sie ihre Zunge, Sir. Ich wurde gebeten, dieses Thema nicht zu erwähnen. Vorbei ist vorbei.«
»Wie großmütig von Ihnen. Ich versenke Ihr Schiff, und Ihnen ist es gleich?«
»Es ist mir nicht gleich. Sie war ein großartiges Schiff. Aber das hat nichts mit meinem heutigen Auftrag zu tun.«
Jorge strich mit den Händen über seine Knie. Was immer sein Auftrag war, er sollte lieber bald zur Sache kommen, denn morgen würde der Gefangene nicht mehr da sein.
»Ja, sie war ein großartiges Schiff«, stimmte er zu. Er hatte ja Zeit. »Ich wollte sie gar nicht versenken, ich hätte sie lieber geentert. Fette Beute, verstehen Sie.«
Sein Besucher wechselte das Thema. »Wie ich hörte, sprechen Sie spanisch. Und französisch.«
»Ja, außerdem beherrsche ich die skandinavischen Sprachen, wie man sie beispielsweise in Island spricht.«
Mulgrave schnalzte ungeduldig mit der Zunge. »Hören Sie, Jorgensen. Ihre verrückten Manöver interessieren mich nicht. Sprechen Sie diese Sprachen?«
Jorge entdeckte kleine Schweißperlen auf Mulgraves Stirn, und das machte ihn neugierig. »Ja, es stimmt«, antwortete er. »Und im Gefängnis in Yarmouth hatte ich Gelegenheit, meine Sprachkenntnisse mit Hilfe meiner Mitgefangenen zu vertiefen. Man tut gut daran, seine Gedanken abzulenken, wenn man laufend ausgepeitscht wird.«
»Verschonen Sie mich mit diesem Geschwätz«, entgegnete Mulgrave unbeeindruckt. »Da es also zutreffend ist, daß Sie diese Sprachen beherrschen, bin ich befugt, Ihnen ein Dienstverhältnis anzubieten.«
Diese Engländer waren doch wirklich ein verrückter Haufen. Jorge hegte diesen Verdacht schon lange, aber nie zuvor war er so davon überzeugt gewesen wie in diesem Moment und in Gegenwart dieses adeligen englischen Gentleman, der sehr viel mehr über ihn, den dänischen Gefangenen, wußte, als er zugab. Regal kannte ihn, also kannte Mulgrave Regal und mußte wissen, daß sie Jorges Geliebte war. Er fragte sich, ob dieser Besuch irgend etwas mit Reynolds’ Tod zu tun hatte.
»Was für ein Dienstverhältnis?« fragte er schließlich.
»Wir brauchen Informationen …« begann Mulgrave, und Jorge erhob sich. »Sagen Sir mir nicht, Sie wollen jetzt auch noch davon anfangen. Ich weiß nichts über die Spione und Saboteure in England. Ich bin Schiffskapitän, Sir.«
»Sie waren Schiffskapitän. Und ich habe noch nie jemanden getroffen, der es so eilig hatte, auf die Hulken zurückzukehren. Auf Ihre Impertinenz kann ich verzichten.«
»Impertinenz? Was bedeutet das? Das Benehmen eines vorlauten Bengels? Ich bin keiner von Ihren Dienstboten.«
»Nein, Sie sind ein arroganter Bastard und machen sich offenbar keine Vorstellung davon, in welcher Gefahr Sie sich befinden.«
»Falsch. Ich bin in keinerlei unmittelbarer Gefahr, denn Sie sind hier, um ein Geschäft mit mir abzuschließen. Sie wollen etwas und bieten etwas dafür. Wenn es Informationen über Spione in England sind, die Sie wollen, haben wir beide Pech gehabt, denn darüber weiß ich nichts. Ich kann es mir nicht erlauben, mich diesbezüglich auf Kompromisse einzulassen, denn ein halboffenes Tor ist immer noch halb zu.« Er sorgte sich um Regal. Hatte Reynolds sie irgendwie in diese Sache hineingezogen? Aus irgendeinem Grunde war Mulgrave sehr geduldig mit ihm, zu geduldig. Es
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