Salz der Hoffnung
entgegenbrachte. Seine Londoner Kollegen waren zwar höflich, erörterten den Fall bereitwillig mit ihm und boten ihren Rat an, doch zugleich gaben sie ihm zu verstehen, daß es mit Sicherheit zu einer Verurteilung im Sinne der Anklage kommen würde.
Regal drohte die Todesstrafe, doch das schien ihr nicht klar zu sein. Sie war überzeugt, daß Leonard ihre Freilassung erreichen würde; doch mit jedem Tag wurde sie dünner, ihr Gesicht wirkte bleich und ausgezehrt im dämmrigen Halbdunkel. Er brachte ihr Kleidung und Essen, denn sie weigerte sich, irgend jemanden außer ihm zu empfangen. »Ich will nicht, daß man mich so sieht«, erklärte sie Leonard. »Ich weiß, ich sehe furchtbar aus. Es ist vermutlich auch besser, wenn Jorge nicht kommt. Er muß sich ausruhen. Sie hatten ihn auf einer Hulk eingesperrt, weißt du.«
Da steckte Jorgensen also. Er fragte sich, woher Regal das wußte, denn niemand sonst hatte ihm irgendwelche Auskünfte über den Dänen geben können. Doch er mußte warten. Leonard war im Augenblick gänzlich von der Aufgabe in Anspruch genommen, seinen Fall vorzubereiten und ein Szenario zu entwerfen, in dem Reynolds Regal angegriffen und versucht hatte, ihr Gewalt anzutun. Die Dame, wollte er darlegen, hatte lediglich ihre Ehre verteidigt.
Manchmal stimmte Regal ihm zu, an anderen Tagen widersprach sie ihm. Er konnte sie nicht dazu bringen, bei einer einheitlichen Darstellung ihrer Version zu bleiben, sie wurde zunehmend verwirrter in dieser grauenhaften Umgebung.
Fast jeden Abend sprach er mit Dr. Flaherty über den Fall, und schließlich kam er zu einem Entschluß. »Ich habe die Absicht, sie für unzurechnungsfähig erklären zu lassen.«
»Seien Sie ja vorsichtig mit so etwas, mein Junge. Das macht vielleicht alles nur noch schlimmer für sie. Man könnte sie nach Bedlam schicken.«
»Was ist das?«
»Das Bethlehem Royal Hospital in Moorfield, und der Name ist das einzig Ansprechende an dieser Irrenanstalt. In meinem ganzen Leben habe ich keinen schlimmeren Ort gesehen.«
»Ich versuche nur, ein Gerichtsverfahren gegen sie zu vermeiden. Einer Verrückten würden sie doch sicher nicht den Prozeß machen, oder? Ich bin am Ende meiner Weisheit. Helfen Sie mir, eine Verlegung nach Bedlam zu erwirken. Wenigstens rettet sie das vor dem Henker. Danach werde ich mich um ihre Freilassung bemühen. Ich denke dabei an Deportation. Ich will sie mit nach Hause nehmen.«
»Aber ist die Frau denn tatsächlich wahnsinnig?«
»Dafür brauche ich Sie. An manchen Tagen ist sie bei klarem Verstand, an anderen verwirrt.«
»Das klingt, als stünde sie immer noch unter Schock. Und Sie brauchen mich, ja? Wozu? Um sie für geisteskrank zu erklären, egal ob es stimmt oder nicht?«
Leonard holte tief Luft. Alles hing von Flaherty ab. Er konnte keinen ihm gänzlich fremden Arzt um einen solchen Gefallen bitten, aber auch bei Flaherty war er nicht sicher, wie sein Anliegen aufgenommen würde.
»Ja«, sagte er unumwunden. »Sie müssen mit mir zum Gefängnis kommen und sie für geisteskrank erklären. Es ist der einzige Weg.«
»Doch wenn sie geistig gesund ist und einen Mord begangen hat …«, begann Flaherty, aber Leonard unterbrach ihn. »Regal ist ein guter Mensch, eine wundervolle Frau, Sie werden es selbst sehen. Irgendwie muß dieser Kerl sie über das erträgliche Maß hinaus provoziert haben, und in diesem Falle wäre Regal nicht Herr ihrer Sinne gewesen. Jedenfalls nicht zum Zeitpunkt der Tat.«
Flaherty lächelte. »Die Diagnose klingt plausibel, aber die Argumentation wird vor Gericht nicht standhalten.«
»Darum besteht der einzige Ausweg darin, sie für geisteskrank zu erklären.«
»Morgen«, versprach Flaherty. »Morgen werden wir die Dame besuchen.«
Vagg gefiel die Sache ganz und gar nicht. »Niemand hat mir gesagt, daß ein Doktor kommt. Wir haben hier unsere eigenen Ärzte.«
»Ich bitte um Verzeihung, Sir«, sagte Flaherty. »Ich bin der Hausarzt dieser Dame. Mir ist klar, daß ein Mann in Ihrer Position viele Pflichten hat, aber ich muß Sie noch um eine weitere Gefälligkeit bitten. Ich brauche Ihre schriftliche Bestätigung, daß ich hier war und die Gefangene gesehen
Weitere Kostenlose Bücher