Salz der Hoffnung
nachgeben, doch umsonst.
Maria seufzte. »Deine Mutter hat sich das Leben genommen.«
Regal nickte. »Ich dachte es mir. Es ging mir mit einemmal auf, als sei sie bei mir und erzähle es mir. Mir war, als wüßte ich, was sie durchgemacht hat. Oh, arme Polly. Kein Wunder, daß sie sie zu Hause immer ›die arme Polly‹ nannten, als ich ein Kind war.«
»Nun, Regal, jetzt da du es weißt, hoffe ich, du wirst nicht mehr darüber nachgrübeln. Polly war mir eine liebe Freundin, und sie wußte, daß ich mich um dich kümmern würde. Genauer gesagt, David und ich. Ich wollte dich adoptieren, aber natürlich hatten deine Großeltern ältere Rechte. Das Leben war Polly zuviel geworden, doch sie war überzeugt, daß du behütet und gut versorgt sein würdest. Und das warst du auch«, schloß Maria mit Nachdruck.
»Aber nicht von meinem Vater.«
»Wenn du Sir Basil meinst, dazu werde ich mich nicht äußern. Wir haben das bereits besprochen, und mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Ich weiß einfach nicht, was die Wahrheit ist. Nur Polly kannte die Wahrheit, und die hat sie mit ins Grab genommen.«
Regal ertappte Maria bei einem fast unmerklichen Blinzeln, während sie sprach, als wolle sie noch etwas hinzufügen und habe es sich dann doch anders überlegt. »Mit ins Grab? Ein seltsamer Ausdruck in diesem Zusammenhang.«
»Keineswegs. Auch die See kann ein Grab sein.«
Trotzdem stimmte hier etwas nicht. »Maria, warum bringen wir es nicht hinter uns. Was hat sie getan? Wie hat sie sich umgebracht?«
Maria begann zu weinen. »Warum mußt du mir das antun? Du hast sie nicht gekannt. Begreifst du nicht, wie entsetzlich es für mich war? Jahrelang hatte ich Alpträume und mußte immerzu an sie denken, ganz allein dort unten. Ich habe mir Vorwürfe gemacht und mich gefragt, was ich noch hätte tun können, um ihr zu helfen.«
»Wie ist sie gestorben?« fragte Regal unbarmherzig.
»Sie ist nachts über Bord gesprungen!« schrie Maria. »Gesprungen! Ich schwöre, wir haben nicht geahnt, daß sie an so etwas auch nur dachte.«
Regal lauschte Marias Schluchzen und nickte dabei vor sich hin, denn jetzt sah sie Polly als reale Persönlichkeit, und verstand nur zu gut, was sie durchlitten hatte. Aber auf solche Weise zu sterben, einen so grauenvollen, einsamen Tod!
Auf dem Heimweg, zutiefst bestürzt und unglücklich, war Regal fast geneigt zuzugeben, daß Maria recht gehabt hatte. Sie hätte nicht darauf bestehen sollen zu erfahren, wie ihre Mutter gestorben war, nicht jetzt jedenfalls. Ihre Phantasie würde Schreckensbilder heraufbeschwören, die ihre Melancholie nur noch steigern würden.
Polly hatte also ihre Entscheidung getroffen. Man hatte sie verstoßen und erniedrigt, und sie hatte dagegen rebelliert. Und Regal sprach ihr das Recht zu rebellieren, wenn das Leben ihr unerträglich geworden war, keineswegs ab. Sollten sie doch alle zur Hölle fahren. Verdammt sollten sie sein! Und zur Hölle mit Jorge! Wo war er nur?
Charles war glänzender Laune. Er kam herein, schleuderte seinen Hut in die Luft und pfiff nach seinem Hund, einem kleinen weißen Terrier, der ausgelassen umhersprang. »Immerzu steckst du deine Nase in Bücher«, warf er Regal vor. »Auch noch Gedichte obendrein! Das führt doch zu nichts. Du solltest lieber an der frischen Luft sein, es ist ein so wundervoller Tag.«
Regal ließ ihr Buch sinken. »Wie kommt es, daß du so fröhlich bist? Ist das Treffen gut verlaufen?«
»Außergewöhnlich gut, möchte ich beinah sagen. Der Agent hat meinen Preis akzeptiert, und ich bin Northern Star los.« Er zündete sich eine Zigarre an. »Vielleicht war ich ein bißchen dumm, weißt du. Ich hätte mehr verlangen sollen. Zweifellos glaubt der Käufer genau wie Basil, daß Northern Star irgendwann wieder Profit abwerfen wird.«
»Und bis es soweit ist, hätte Basil dich gänzlich ausgenommen. Du konntest es dir nicht leisten zu warten.«
»Das stimmt. Aber das macht mir jetzt auch nichts mehr aus. Ich bin wieder solvent, und von Northern Star hatte ich ohnehin schon genug. Nun kann Vater endlich aufhören, mir deswegen zu grollen, denn das Thema ist abgeschlossen. Ich hätte schon vor Jahren verkaufen
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