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Salz der Hoffnung

Titel: Salz der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Sie wünschte, sie wäre endlich allein.
            »Der Park sieht ja so hübsch aus im Augenblick, alle Blumen blühen, und der Rosengarten ist eine einzige Pracht. Doch ihr Damen solltet einen Lakai zur Begleitung mitnehmen, wenn ihr spazierengeht. Es heißt, Taschendiebe trieben dort ihr Unwesen und lauter seltsames Gesindel. Bald werden anständige Menschen in London nicht mehr leben können. Ich habe schon überlegt, dieses Haus zu verkaufen und aufs Land zu ziehen. Was hältst du davon?«
            »Was immer du möchtest.« Sie hätte schreien mögen. Von hier fortziehen? Ausgeschlossen. Jorge würde herkommen, um sie zu holen. Nach London.
            Falls er noch lebte …
             
            Grauenhafte Träume befielen sie, von häßlichen, dunkelgrünen Tiefen, in denen Jorge ertrunken trieb, die Augen aufgerissen und leer. Sie hatte Bilder ihrer Mutter vor sich, die dasselbe Schicksal erlitten hatte, die mit ihm zusammen dahintrieb und hinter einem Vorhang grüner Haare die Zähne zu einem häßlichen Grinsen entblößte und sie verhöhnte. Und Regal schrie, weil Polly über Bord gesprungen war und Jorge mit sich gerissen hatte, schrie verzweifelt, bis sie endlich erwachte.
            Edwina war bei ihr, rief Bonnie herbei, und zusammen versuchten sie, Regal zu beruhigen. Doch sie schien sie nicht zu hören und murmelte immer noch angsterfüllt Unverständliches.
            Sie flößten ihr Laudanum ein, das widerwärtig schmeckte und das Zimmer mit seinem abscheulichen Aroma erfüllte, und sie sah sie kommen und gehen, auch den Doktor, hörte sie in ihren Krankenzimmerstimmen miteinander reden, aber es kümmerte sie nicht. Manchmal hatte sie das Gefühl, sie sollte sich zusammennehmen und etwas sagen, vielleicht sogar aufstehen, doch die anderen Stimmen in ihrem Innern warnten sie, sich ja nicht zu rühren; auch fürchtete sie, wenn sie die Augen öffnete, würde sie den Galgen vor sich sehen. Was hatte es mit diesem Galgen nur auf sich? Doch dieser Traum war noch schlimmer gewesen, zu eindringlich, eine schwindelerregende Spirale wie ein Seil, und weit weg, ganz am anderen Ende hing schief eine Gestalt herunter – ein grauenhafter Anblick. Sie wollte nicht näher herangehen, also war es besser, die Augen fest geschlossen zu halten.
            Maria Collins kam herein, und Regal hörte sie zu Edwina sagen: »Ich wußte gleich, ich hätte ihr nicht von Polly erzählen dürfen. Es hat sie furchtbar mitgenommen. Und jetzt zeigen sich die Auswirkungen des Schocks, sie ruft nach ihrer Mutter und fürchtet, sie könnte ertrinken. Es ist kaum mit anzuhören.«
            Regal überlegte, warum sie sie wohl bedauerten. Im Zimmer war es warm, doch Maria legte ihr eine wollende Stola um die Schultern, und ihr ging auf, daß sie aufrecht saß. Das war eigenartig. Sie dachte, sie läge ausgestreckt auf dem Rücken, wehrlos den häßlichen Ungeheuern ausgeliefert, die in der Nacht lauerten, um sich auf sie zu stürzen. Im Sitzen fühlte sie sich sicherer. Maria schien auch unglücklich zu sein, sie machte sich Vorwürfe wegen irgend etwas, das Regal nicht ganz begriff.
            »Unsinn!« sagte der Doktor. »Ich hatte ein Dutzend Fälle dieses Fiebers in letzter Zeit, es geht mit schweren Kopf- und Gliederschmerzen einher. Doch jetzt hat Mrs. Howth das Schlimmste bereits hinter sich, die Temperatur ist gesunken. Sie wird sich erholen. Mr. Howth hatte recht. Sie sollte London eine Zeitlang verlassen und in die Sommerfrische fahren. Das ist immer das beste Heilmittel.«
            »Nein!« schrie Regal. »Ich will nicht fortgehen. Ich will hierbleiben.« Sie fühlte sich jetzt müde und unglücklich, weil ihr wieder zu Bewußtsein gekommen war, daß sie sich einer finsteren Welt stellen mußte, und daß Jorge irgendwo da draußen verloren war.
            »Beunruhige dich nicht so.« Edwina eilte an ihre Seite.
            »Vorläufig wirst du nirgendwohin fahren, es ist wieder kalt geworden. Du mußt dich nur ausruhen. Charles ist aufs Land gefahren, also bleibe ich hier und kümmere mich um dich.«
            Verdammt! Regal schloß die Augen wieder, wütend, daß sie dazu gezwungen wurde, im Bett zu liegen, mit Edwina als Gefangenenwärter, wo sie doch so furchtbar viel zu tun hatte. Irgendwie würde sie herausfinden, was aus Jorge geworden war, und wenn sie dafür nach Kopenhagen reisen mußte.
            Am nächsten Morgen

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