Salz und Asche - Roman
sie zur Hintertür und klopfte.
Gertrud Schmitt riss die Tür auf und baute sich vor ihr
auf wie eine wütende Muttergans, die ihre Gössel schützt. »Was willst du hier? Hast du noch nicht genug angerichtet?«
Die Worte trafen Susanne wie Hiebe. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sollte denn alles ihre Schuld sein? »Bitte, ich möchte wissen, wie es Jan geht.«
»Er wird es überleben. Und er wird es besser überleben, wenn du dich von ihm fernhältst. Ich kümmere mich schon um ihn.«
»Ich muss ihm noch etwas erzählen. Wegen der Kinder und … Danach komme ich nicht wieder. Ich verspreche es. Nur dieses eine Mal. Bitte.«
Gertrud verschränkte die Arme und machte sich damit noch breiter. »Du kannst es mir erzählen, ich werde es ihm sagen.«
Susanne hasste das Gefühl von Machtlosigkeit, das sie ergriff. »Ihr versteht nicht. Ich weiß, dass … Und Jan weiß es auch, und … Es ist nur dieses eine Mal. Es ist wichtig.«
»Es ist wichtiger, dass er schläft. Was auch immer du zu sagen hast, das wird er früh genug von irgendjemandem hören.«
»Gertrud, wenn ich jetzt zu ihm gehe, muss es niemand erfahren. Aber wenn Ihr mich nicht zu ihm lasst, dann werde ich wieder und wieder kommen, bis ich ihn noch einmal gesprochen habe.«
»Du bist nicht nur ein strohdummes, sondern auch ein selbstsüchtiges Ding. Wenn du dich ruinieren willst, bitte sehr. Aber hast du denn wirklich gar keine Ahnung, welche Scherereien du damit nicht zuletzt meinem Bruder und mir machst? Selbst Alberts Sache schadest du. Glaubst du, Schmitt kann jetzt einen schlechten Leumund brauchen? Gerade heute Vormittag hat man ihn ins Gericht gerufen,
und er ist noch nicht zurück. Mir und ihm soll keiner nachsagen, dass wir ein sittenloses Haus führen und unsere Gesellen verkommen lassen.«
Wohl ohne es zu merken war Gertrud lauter geworden. Ein Teil von Susanne gab ihr recht und wollte nach Hause gehen. Doch der harte Kern in ihr, der seit zwei Jahren mit hartgesottenen Marktfrauen und Handwerkern feilschte, um erfolgreich einen Haushalt zu leiten, ließ sich noch nicht erschüttern. »Es wäre nur für einen Augenblick.«
In Gertruds rundem Gesicht verzog sich keine Miene, sie würde sich nicht erweichen lassen. Susanne sah ihre kostbaren, gestohlenen Minuten verrinnen und wurde ärgerlich. Sie holte tief Luft, um noch einmal zu beginnen, da erschien Jan hinter seiner Hausherrin.
»Susanne.« Er klang weder überrascht, noch schien er erfreut zu sein.
Gertrud sah sich über die Schulter zu ihm um, rührte sich aber nicht von der Stelle, sondern machte sich nur umso breiter. »Was soll das? Haben wir dir nicht gesagt, du sollst im Bett bleiben?«
»Ich habe euch von oben gehört«, sagte er.
Susanne stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn über Gertruds Schulter hinweg sehen zu können. Immerhin war er auf den Beinen, sah jedoch sterbenskrank aus. Er blickte zu Boden und stützte sich an der Wand ab, als könne er jeden Moment niedersinken. »Kathi hat die Kinder zu uns gebracht. Das habt ihr großartig gemacht, Jan. Ich war noch gestern Abend mit Till bei Herrn von Waldfels, aber er wollte nicht recht auf uns hören. Aber nun … Es wird alles in Ordnung kommen, und das ist dein Verdienst. Das wollte ich dir nur sagen und … Minna hat nach dir gefragt und … Ich hatte Angst, dass …«
Sein Mundwinkel zuckte, doch für ein Lächeln reichte es nicht. Flüchtig traf er ihren Blick und senkte den Kopf gleich wieder. »Mach dir um mich keine Gedanken. Mir geht es gut. Du kümmerst dich um die Kinder, ja?«
»Nur um die Kinder!«, fuhr Gertrud dazwischen. »Mein Lieber, du sagst ihr jetzt das, was du mir heute Morgen gesagt hast, sonst kannst du was erleben.«
Er seufzte. »Das habe ich ihr doch schon gesagt.«
»Dann wiederhol es, damit sie es endlich begreift.«
»Das muss er nicht.« Susanne wich zurück. Er sollte nicht neue Worte für den Abschied suchen müssen. »Ich werde nicht wiederkommen.«
Ihr Herz schien nie auf ihre Vernunft zu hören. Während sie sich der Ausfahrt des Schmiedehofs näherte, hoffte sie, Jan noch einmal »Susanne« rufen zu hören.
Noch am Ende der Grapengießerstraße gaukelte ihr Herz ihr vor, er würde gleich hinter ihr sein und sie zurückhalten, obwohl sie genau wusste, dass es unmöglich war.
Ihr Vater packte sie hart am Arm, als sie auf den Hof kam, wo er Ausschau nach ihr gehalten hatte. In der zweiten Hand hielt er eine frisch geschnittene Haselrute. Susanne zuckte nicht, sondern sah
Weitere Kostenlose Bücher