Salz und Asche - Roman
vier.
Liebhild war selig über die neuen Spielgefährten. Sie mochte nicht nur Minna besonders gern, sondern auch einen Jungen in ihrem Alter, der Jost hieß. Jost wiederum hatte sich zum Beschützer des kleinsten Jungen namens Hinner aufgeschwungen, der ihm denn auch nicht von der Seite wich.
Es war nicht einfach, die Kinder zu beschäftigen, weil sie das Haus vorerst nicht verlassen sollten. Nur unter Susannes Aufsicht durften sie für eine Weile im Garten spielen und ihr bei den Hühnern helfen.
Kathi ließ sich am ersten Tag nicht wieder blicken, sodass Susanne sich auf eine längere Zeit mit den Kindern einstellte. Sie räumte die letzte freie Kammer im Obergeschoss auf, fegte sie aus und versah sie mit Strohsäcken, damit Till sein eigenes Bett wiederbekam.
Sie war dankbar für die Beschäftigung und die lebhafte Gesellschaft im Haus. Weder um sich zu bemitleiden, noch um sich Gedanken um Albert, den Mörder, Herrn von Waldfels oder Lenhardt zu machen, hatte sie Muße. Und als abends im Bett die Sehnsucht nach Jan und der Kummer sich mit Klauen und Zähnen auf sie stürzten, da drehte sie sich vorsichtig auf die andere Seite, um Paul nicht zu wecken, und überließ es wieder dem Schlaf der Erschöpfung, ihre Tränen zu trocknen.
Am nächsten Morgen kam Kathi. Sie konnte die Eltern jedes Kindes benennen und wusste so viel über deren Beweggründe für den grässlichen Handel, dass sie es gewiss nicht an einem einzigen Tag herausgefunden hatte. Susanne
fragte sie nicht danach, sondern notierte nur sorgfältig alles, was sie über die Eltern wissen musste.
Eines der Paare wollte seinen Sohn reumütig zurücknehmen, so viel konnte Kathi ihr ebenfalls schon sagen. Für den Rest würden sich andere Lösungen finden müssen.
Es gab noch immer einiges, das Susanne gern von Kathi gehört hätte, vor allem über die abenteuerliche Bootsfahrt nach Bardowick zu den Kindern, doch ihr Vater hatte darauf bestanden, zugegen zu sein, wenn Kathi kam. Er ließ sie nicht einen einzigen Augenblick allein. Susanne hatte allerdings den Eindruck, dass Kathi ihr auch sonst zumindest über Jan nichts erzählt hätte.
Immerhin hatte sie einen Teil der Geschichte inzwischen von Minna und den anderen Kindern erfahren.
Bereits am Nachmittag desselben Tages erschienen überraschend Herr Lossius, Lenhardt und Herr von Waldfels in der Böttcherei. In Windeseile richtete Susanne die Dornse her und war ein weiteres Mal froh über Anje, die mit Lene und der Muhme Kinder und Küche in Schach hielt, obwohl der Anblick des hohen Besuches sie beinah in hasenhafte Panik versetzte.
Auch Susanne fühlte sich unwohl, doch da sie sich kaum noch daran erinnern konnte, was Unbeschwertheit war, war es kein großer Unterschied. Sie richtete ihre Haube, band sich eine saubere Schürze um und stellte sich den Herren, als wäre nichts Ungewöhnliches vorgefallen. Lenhardts warmes Lächeln war zweifellos ehrlicher als ihres und drang dennoch kaum zu ihr durch.
Herr von Waldfels vermied es, sie anzusehen, grüßte sie nur mit einem Kopfnicken und zeigte allgemein Zeichen von Verlegenheit.
Herrn Lossius war es zu verdanken, dass keine peinliche
Stille entstand. Er tätschelte Susannes Schulter. »Nun, mein Mädchen, du musst ja tüchtig erschrocken sein, von diesen Überfällen auf deinen feinen, kleinen Haushalt. Da wird es dich vielleicht trösten, dass wir dir ein bisschen was abnehmen möchten. Herr von Waldfels hat uns über sein zu seinem Leidwesen misslich verlaufenes Vorhaben aufgeklärt. Und weil Frau Lossius, Lenhardt und ich uns ja schon in beinah familiärer Weise mit dem Hause Büttner verbunden fühlen, möchten wir unser Bestes tun, um von Nutzen zu sein. Gerade in so einer Sache der christlichen Nächstenliebe! Ich höre von seiner Hochwohlgeboren, dass es wenigstens zwei verwaiste Kinder unter den armen Kleinen gibt, derer du dich so beherzt angenommen hast. Nun, ich darf dir mitteilen, dass meine Frau höchst beglückt wäre, wenn sie die beiden langfristig in unser Haus aufnehmen dürfte.«
Susanne war mittlerweile zu misstrauisch, um sich über diese großmütige Geste vorbehaltlos zu freuen. Noch konnte sie sich nicht vorstellen, welche Pläne Herr von Waldfels bezüglich der Kinder hatte. Gab er seine teuer erkauften Ansprüche an sie auf? Würde er womöglich das Geld zurückverlangen, das Rieger in seinem Namen gezahlt hatte? Oder hielt er an seiner Utopia fest und hoffte, die Kinder doch noch mitnehmen zu können? »Ihr sprecht
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