Salz und Asche - Roman
hinein.«
»Aber das geht doch nicht«, brach es aus der sonst so stillen Anje heraus. »Sie stört ja nur.«
Anje meinte es gut, das wusste Susanne. Dennoch ärgerte es sie, dass die ihnen noch fast fremde Frau sich in dieser Weise einmischte und ihre Schwester verletzte. »Regine stört nicht. Sie stört uns nie. Wir sind froh, wenn sie bei uns ist. Gine, hör auf zu weinen, natürlich darfst du zu uns herein.« Sie schob sie etwas von sich weg und trocknete ihr mit einem Schürzenzipfel die Wangen. »Komm, du kannst mir helfen, das Gebäck zu tragen. Es werden sich alle freuen, dich zu sehen.«
Albert wurde am Sonntag aus dem Turm entlassen, vier Tage nachdem Jan mit den Schiffern die Kinder aus Bardowick geholt hatte.
Als die Bewohner der Schmiede an diesem Abend um den Tisch herumsaßen, konnten sie sich nicht darüber einigen, wer von beiden bleicher aussah, Jan oder Albert.
Dabei fühlte Jan sich schon wieder recht gesund. Nicht
gerade stark genug, um einen Tag durchzuarbeiten, aber so ausgeruht, dass er sich danach sehnte. Wäre das doch besser gewesen als das erzwungene Stillsitzen und Nachdenken. Er hatte sein Bestes gegeben, um Albert zu helfen, und es war ihm geglückt. Sein Verstand war zufrieden damit, doch sein Herz kannte nur noch Unruhe.
Die Stadtwache hatte den Roten Berthold verhaftet, nachdem Kowatz ausgesagt hatte, ihn am Tatort gesehen zu haben. Zudem hatten sich Zeugen gefunden, bei denen er mit den brandenburgischen Münzen bezahlt hatte, die Wenzel von Herrn von Waldfels erhalten hatte. Herr von Waldfels war mit beim Richter gewesen, nicht jedoch Rieger, über dessen Verbleib niemand etwas wusste.
Schmitt meinte, dass der Richter über die verkauften Kinder im Bilde gewesen wäre, aber nicht über die Sache gesprochen hätte. Es blieb daher ungewiss, in welcher Lage die Kinder bei den Büttners waren und was mit ihnen geschehen würde.
Selbst was Minna und Paul betraf, herrschte in der Schmiede Ratlosigkeit.
Jan hatte das Gefühl, dass Schmitt kurz davor stand, die Kinder in der Schmiede aufzunehmen. Doch besonders glücklich schien er mit der Aussicht nicht zu sein, und Gertrud äußerte sich zu diesem Punkt ungewöhnlich wortkarg. Soviel Jan wusste, hatten ihr Kinder nie gefehlt, und immerhin war es eine erhebliche Verantwortung und Belastung, die Zukunft der beiden zu sichern.
Albert stellte in der Angelegenheit keine große Hilfe dar. Er saß geduckt auf seinem Platz und war schreckhaft, als könnte jeden Augenblick wieder jemand anklopfen, um ihn festzunehmen. Sein Verhalten wirkte so schuldbewusst, als glaubte er, zu Unrecht entlassen worden zu sein.
Jan gab sich Mühe, nicht ebenso zu wirken, obwohl er sich grauenhaft schuldig fühlte. Wenn es herauskam, dass er Susanne ihre Jungfernschaft geraubt hatte, würde die Hölle losbrechen. Dass er Kowatz mit dem Messer bedroht hatte, war dagegen eine Lappalie, obgleich ihm auch das noch zu schaffen machen konnte. Jedenfalls fürchtete er auch Kowatz’ Rache. Der Halunke hatte ihn im Hemd allein mit Susanne erwischt und vermutlich Lust, ihn bloßzustellen, nachdem er von ihm im schiefen Haus in so eine beschämende Lage gebracht worden war.
Die allerschlimmste Last für Jan war jedoch die Sorge, ob Susanne nun ein Kind erwartete. Ganz gleich, ob man sie zwänge, einander zu heiraten, und ihn dafür aus der Schmiedezunft verstieß, ob man Susanne der Schande lediger Mutterschaft überließ oder sie rasch mit einem anderen verheiratete - er wäre an ihrem Unglück schuldig. Auch wenn er sich noch so oft sagte, dass bei diesem einzigen Mal nichts passiert sein würde, ihm blieb das Gefühl, dass er sich in seiner Unbeherrschtheit an dem Menschen vergangen hatte, den er am meisten liebte. Warum hatte er sich derart gehen lassen? Weil du das Süßeste erleben wolltest, was das Leben dir bisher zu bieten hatte. Sie war so schön und so zärtlich gewesen, und er hatte auf einmal geglaubt, dass es ihm nach ihr niemals vergönnt sein würde, ein Mädchen zu lieben, das ihn wiederliebte.
Wahrscheinlich hatte er damit recht gehabt. Er konnte sich auch jetzt am hellen Tage und mit klarem Kopf nicht vorstellen, dass er noch einmal für einen Menschen etwas so Starkes empfinden würde. Allerdings war es zweifellos gesünder für ihn, wenn es so kam. Seine Sehnsucht nach ihr quälte ihn jede Stunde des Tages und ließ ihn nachts nicht schlafen.
Es war hart gewesen, sie erst an der Tür zu sehen und sie dann davongehen zu lassen und zu
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