Salz und Asche - Roman
verleugnen, was er empfand. Das widersinnige Gefühl, ein Recht auf sie zu haben. Bei aller Schwäche wäre er ihr vielleicht nachgelaufen, wenn Gertrud Schmitt nicht energisch die Tür geschlossen und ihm einen sanften Schlag hinter die Ohren verpasst hätte. »Mädchenblick zieht wie ein Strick«, hatte sie geknurrt und ihn wieder ins Bett geschickt.
Er sah seine Hausherrin quer über den Tisch an und fragte sich, ob sie je etwas für einen Mann übriggehabt hatte. War sie mit ihrer Ehelosigkeit so zufrieden, wie sie immer tat? Vermissten Frauen die körperliche Lust gar nicht? Auch diese Frage machte ihm zu schaffen. Wie hatte Susanne die Dummheit, die sie gemeinsam begangen hatten, empfunden? Sie hatte sich zwar nicht beklagt, aber er hatte ihr vermutlich wehgetan.
»Jan Niehus, was starrst du mich so an? Sind mir neue Barthaare gewachsen?« Gertrud erhob sich und wandte sich brüsk ab, um sich ihren Haushaltsverrichtungen zu widmen.
Er nahm seinen Mut zusammen. »Albert könnte zu den Büttners gehen. Paul und Minna wären erleichtert, ihn zu sehen.«
Langsam und bedrohlich steif drehte Gertrud sich wieder zu ihm um. »Ja. Aber den Weg findet er ganz allein. Dazu braucht er dich nicht.«
Jan wich ihrem Blick aus und sah stattdessen Albert an.
Der verstörte Lehrling war sichtlich erschrocken über die strenge Erwiderung der Hausherrin. »Muss ich heute gehen?«, fragte er.
»Minna hat nach dir gefragt«, sagte Jan.
Albert zögerte, zog die Schultern hoch und blickte auf seine Finger mit den abgekauten Nägeln, die er unruhig verflocht und wieder voneinander löste. »Warum kann Jan nicht mit? Er kennt die Büttners doch besser.«
Gertrud lachte höhnisch auf. »Oh ja.«
Meister Schmitt warf ihr einen tadelnden Blick zu. »Nun lass gut sein. Der Junge hat mir längst sein Wort gegeben. Du musst nicht immer neues Salz in die Wunde reiben. Albert, Jan soll der Böttcherei fernbleiben, damit es kein Gerede wegen der Töchter gibt. Ich geh mit dir hinüber. Aber ab morgen herrschen hier wieder andere Sitten. Dann wird gearbeitet, sonst bringt ihr mich noch endgültig an den Bettelstab. Du kannst doch arbeiten, Jan?«
Jan fühlte eine Welle von Dankbarkeit für seinen Meister und nickte. »Denke schon. Darf ich Euch nur noch um eine Sache bitten?«
»Hm.«
»Die junge Katze von … Nun, die Hunde haben sie totgebissen. Glaubt Ihr, die Kleine würde sich über eine neue freuen? Dann könntet Ihr … Müsst ja nicht sagen, dass ich …«
Schmitt sah ihn kurz an, und in seinen Augen stand Mitgefühl. »Schon recht. Fang uns eine, dann nehmen wir sie mit.«
Meister Schmitt begrüßte Susanne mit nüchterner Höflichkeit, als sie ihm und Albert die Haustür öffnete. Er zeigte ihr die junge weiße Katze im Deckelkorb und fragte, ob sie Verwendung für das Tier hätte.
Sie fühlte einen beklemmenden Druck in ihrer Brust, als sie nickte, dankte und ihm den Korb abnahm. Schmitt musste ihr nicht sagen, dass die Katze Jans Einfall war. Er
hatte Liebhild trösten wollen, ihr kam es jedoch vor, als sei das Tier ein Abschiedsgeschenk. Weiß wie Schnee und Eis.
Ihr Vater kam aus der Schreibstube, um Schmitt und Albert zu begrüßen, bevor sie ihn rufen konnte. Er hatte ein scharfes Auge auf alle Besucher, die in diesen Tagen erschienen.
Albert sagte nichts zu ihr, kein Wort über seine Freilassung oder die Sache mit den Kindern. Seinen Dank dafür, dass sie Paul und Minna aufgenommen hatten, richtete er an ihren Vater. Susanne war es recht, dass ihr Anteil an der Angelegenheit nicht mehr zur Sprache kam. Sie wusste ohnehin wenig zu erwidern. Schweigend nahm sie das weiße Kätzchen auf den Arm und ging auf die Suche nach den Kindern. Minna fand sie in der Küche und schickte sie gleich in die Dornse zu den Gästen. Paul und zwei von den anderen Jungen spielten oben mit Tills und Martins altem Spielzeug. Sie spannten abgegriffene kleine Holzpferde mit Wollgarn vor Wagen, die sie sich aus Holzresten gebaut hatten. Regine half ihnen dabei.
Paul ließ Pferde und Fahrzeuge liegen, als Susanne Alberts Namen nannte, und polterte ungestüm die Wendeltreppe hinab. Die anderen Jungen schlossen sich ihm aus Neugier an.
Regine schien traurig darüber zu sein, doch als Susanne ihr die Katze zeigte, lächelte sie wieder. »Ist die für mich?«
»Meister Schmitt hat sie für Liebhild mitgebracht, aber am Ende gehört sie ja doch uns allen und schläft auf deinem Bett, nicht wahr?«
»Ich hätte sie gern für mich. Weiß
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