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Salz und Asche - Roman

Salz und Asche - Roman

Titel: Salz und Asche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Dornse gegangen war.

    Susanne nahm schicksalsergeben ihren und gleich auch Regines und Martins Lodenumhänge aus dem Schrank. Als sie unten über die Diele ging, klopfte es, und sie öffnete. Lenhardt kam aus dem Regen herein und schüttelte sich lachend. Übermütig umarmte er sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange, erst dann bemerkte er die Mäntel über ihrem Arm. »Was ist das? Wer will in dieses Wetter hinaus?«
    »Regine ist wieder fort. Ich muss mich beeilen und es Vater und Martin sagen. Martin soll mir suchen helfen.«
    Lenhardts Heiterkeit verflog. »Selbstverständlich helfe ich auch.«
     
    Martin lief verärgert, aber pflichtbewusst zum Hafen und an den Fluss zwischen den Mühlen, während Susanne und Lenhardt sich auf den Weg zu Lossius’ Haus machten, um zuerst dort nachzusehen und danach bei den Bleichwiesen.
    »Warum läuft sie immer fort?«, fragte Lenhardt.
    »Bei Regen will sie nachsehen, ob der Fluss Hochwasser führt. Manchmal hat sie einfach Langeweile. Und manchmal möchte sie sich bewegen, wenn sie verstört ist. Ich weiß nicht, was es heute ist. Es geht ihr in letzter Zeit nicht gut.«
    »Ja? Und kann sie dir erzählen, woran das liegt?« Er fragte es vorsichtig, als wäre er unsicher, ob sie darüber sprechen wollte.
    Wie oft hatte Susanne sich gewünscht, dass Regine ihr hätte erzählen können, warum sie sich unwohl fühlte? Dieses Mal jedoch fragte sie sich, ob es Regine nicht besser bekam, wenn sie sich nicht erinnerte. Die Genugtuung, den Mann zu kennen und anzuklagen, der ihre Hilflosigkeit
ausgenutzt hatte, würde Regines Gram über das Erlebnis und die nachfolgende öffentliche Schande nicht aufwiegen. Susanne schüttelte den Kopf. »Das ist schwierig für sie, weil sie so schnell vergisst. Sie fühlt noch, dass etwas sie gekränkt hat, weiß aber nicht mehr, was es war.«
    Lenhardt nickte mit ernster Miene. »Und warum hast du solche Angst um sie, wenn sie fortläuft? Ist ihr schon einmal etwas zugestoßen?«
    Was würde er sagen, wenn er erfuhr, was Regine zugestoßen war? Würde er weiterhin so freundlich bleiben? Oder würde es ihn abstoßen? Susanne fühlte sich elend und verdrängte mühsam die quälenden Gedanken an die Zukunft. »Früher, als ich noch ein Kind war, haben manche Leute sie verhöhnt und ihr Angst gemacht. Aber sie gibt auch auf Gefahren nicht acht. Sie läuft vor Fuhrwerke, und es zieht sie immer wieder zum Wasser. Es könnte ihr noch einmal das Gleiche geschehen wie damals.«
    »Es könnte noch einmal geschehen?«
    Er ging noch etwas schneller, als wäre er selbst nun besorgter um Regine. Doch in seiner Frage klang auch etwas mit, das Susanne bekannt vorkam. Sie zuckte mit den Schultern. »Niemand weiß das.«
    »Vielleicht wäre sie danach wieder so wie früher. Ich meine, du hast doch gesagt, sie wäre ein gewöhnliches Mädchen gewesen, bevor … Vielleicht würde ein neuer Schlag alles rückgängig machen? Oder kann das nicht sein?«
    Susanne sah ihn von der Seite an, während sie sich bemühte, mit der Geschwindigkeit seiner langen Beine Schritt zu halten. Er klang, als ob ihn diese Fragen schon lange beschäftigten.
    »Mutter hat das auch gehofft. Sie hat dafür gebetet. Aber ich … Nun, wie viele Menschen kennst du, die durch ein
Wunder geheilt wurden? Ich habe zwar viele Geschichten darüber gehört, doch begegnet bin ich solchen Geheilten nie.«
    Das Schloss in der Tür des Sülfmeisterhauses hakte. Lenhardt musste sich mühen, bevor er sie hereinwinken konnte. »Bleib hier. Ich frage nach.«
    Einer der Bediensteten hatte die Geräusche an der Tür gehört und kam ihnen diensteifrig entgegen, wusste jedoch nichts von Regine. Er übersah Susanne, die in ihrem dunkelgrünen Umhang im unbeleuchteten Eingangsflur wartete. Tropfend und unbemerkt stand sie dort in dem prachtvollen Gebäude, das bald ihr Heim werden sollte. Sie fühlte sich fehl am Platz und ahnte auf einmal, dass es immer so bleiben würde. Lossius’ Vorfahren hatten seit Lüneburgs Gründung zu den reichsten und mächtigsten Bürgern gehört und die Geschicke der Stadt gelenkt. Noch 150 Jahre zuvor, als der Salzhandel die Sülfmeister in scheinbar unendlichem Reichtum schwimmen ließ und sie uneingeschränkt das Sagen im Rat gehabt hatten, wäre wohl keinem von ihnen eingefallen, eine Böttchertochter zu ehelichen. Sie würde sich ihr ganzes Leben lang für die Ehre, die ihr zuteilwurde, zu Dankbarkeit verpflichtet fühlen müssen.
    Lenhardt kehrte im Laufschritt zurück. Hinter

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